Die Nacht war ruhig und die Dusche ist heiß und hat deutlich mehr Wasser als die Andere – auch wenn es nicht nur an den Sollstellen herauskommt, sondern auch am Rand. Während ich zusammenpacke, stehen auch die Nachbarn auf. Etliche der Reste vom Essen gestern (ich denke mal, mehr als 10% wurden gestern nicht konsumiert) bekommt der Hofhund als Frühstück. Ich derweil zurre das Motorrad auf dem Hänger fest und lade das Gepäck ins Auto.
Heute wird es eine Verbindungsetappe geben. 320 Kilometer nach Bacău. Na gut, ein kleiner Umweg ist auch dabei.
Ich will in Andreiașu de Jos vorbei, wo es sehenswertes gibt: Vocul Viu – Lebendiges Feuer. Getsern hatte ich ja bereits vor, einen ebensolchen Ort in Lopătari anzufahren, habe mich dann aber doch verleiten lassen, lieber mein Endurowandern-Vakkum aufzufüllen. Nun hätte ich auch heute dahin gekonnt, denke aber, das ich mit Elisabeth sicher nochmals zu den Schlammvulkanen komme und dann auch dorthin fahren werde.
Die in Andreiașu de Jos habe ich eher zufällig bei meiner Recherche gefunden, früher fand man sie in den Reiseführern, irgendwann wurde es getilgt – warum auch immer. Für mich ideal, sie liegen auf der Hälfte der heutigen Srecke, ich kann Focşani umfahren, dann ist es nur noch ein Stich von weniger als 20km einfach.
Zuerst aber muss ich hier auschecken. Das gestaltet sich relativ einfach, der Betrag wird nicht von der gebuchten Währung Euro auf Lei umgerechnet, sondern geschätzt und dann abgerundet.
Freundlich schüttelt mir der Alte Mann die Hand, bedankt sich und wünscht mir viel Gesundheit und eine gute Reise. Dann starte ich den Motor und gehe die 300m Horrorstrecke an. Bergab ist das natürlich weitaus einfacher und hell ist es auch – im Gegensatz zur Anfahrt. Aber auch diesmal liegt loser Kies auf dem Weg und so rutsche ich Teile des Weges auf dem rollenden Kies hinab. Rechts abbiegen, dann noch 500m bis zur Ortsausfahrt. Da geht es links bis auf die große Straße. Hier ist zwar asphaltiert, aber das ist fast schlimmer als ohne – riesige Schlaglöcher tun sich auf und versuchen das Gespann zu verschlingen 😉
Die Straße nach Buzau hingegen ist ein Traum, ebenso die E85 bis kurz vor Focşani. Wie immer, wenn ich alleine unterwegs bin, hängeich meinen Gedanken nach, lasse das Erlebte nochmal Revue passieren und denke über mein Leben nach. Wer hier mit offenen Augen unterwegs ist, der hat zu Hause wenig Grund zum Jammern, das wird mir immer wieder bewusst.
Die Tage hat mich jemand gefragt, ob ich reich bin. Ich habe ihm geantwortet: Wenn Du es auf Geld reduzierst, dann gehöre ich ganz bestimmt nicht zu den Reichen, mein materieller Reichtum viel meiner Scheidung zum Opfer. Dennoch würde ich mich als einen reichen Menschen bezeichnen, denn ich habe das Glück, diesen Planteten mit offenen Augen wahrnehmen zu können. Ich darf vieles erleben und habe die Möglichkeit, andere Länder, andere Kulturen und vor allem deren Menschen kennen zu lernen – das ist ein Reichtum, der sich nicht in Geld messen lässt. Ob mein Gegenüber verstanden hat, was ich sagen wollte weiß ich nicht. Aufgrund der Sprachbarriere fand das Gespräch in Englisch statt.
Die Welt außerhalb des Autos ist inzwischen flacher geworden. Links und rechts der Straße erstrecken sich Weinberge – na ja, eher Weinebenen. Rumänien hat eine über 6.000 Jahre alte Weinkultur, die im 12. Jahrhundert von den Siebenbürger Sachsen beeinflusst und im 18. Jahrhundert durch die Banater Schwaben gestärkt und verfeinert wurde. Der bekannteste Wein Rumäniens ist der Grasă de Cotnari, der aus Moldavien kommt, die Grenze zu Moldavien verläuft ca. 50km rechts von mir. Ich habe gelesen, dass sich ca. 16% der Weinanbaugebiete noch immer in staatlichem Besitz befinden, der Rest der nach dem Krieg verstaatlichten Flächen wird heute von Groß- und Kleinwinzern bewirtschaftet. Die einzelnen Abschnitte unterscheiden sich deutlich. Während einige eher verwildert wirken, sind andere gepflegt und wiederum andere sind wie geleckt. Ich überlege mir, welche der vorher genannten Gruppen zu welchem Feld gehört.
Kurz vor Focşani muss ich diese Überlegungen beenden, denn das Navi führt mich nach links von der Straße ab. Erst ein Stück schlechter Asphalt, dann unbefestigte Straße. Kein Problem mehr für mich. Ich war schon oft genug in diesem Land und habe die ersten Jahre schlimmeres gesehen. Den großen Schlaglöchern weiche ich aus, die anderen durchfahre ich sanft. Ein Schäfer steht am Wegesrand, der Pelz der Schafe ist zottig und denen ist bestimmt mittlerweile zu warm. Ich weiß nicht, wie lange ich so dahingerollt bin, bis ich wieder auf eine befestigte Straße komme, diese biegt nach links ab, in das Tal, das der Fluss Milcov einst geschaffen hat. Heute hat er immer noch ein breites, zerfurchtes Flussbett, führt aber wenig Wasser.
Vocul Viu – lebendige Feuer
auch als Focul nestins – ewige Feuer bezeichnet sind ein Naturphänomen, bei dem Methangas durch Risse im Gestein nach oben steigt und an der Oberfläche austritt. Einmal entzündet sogt der Nachschub von unten dafür, dass die Flamme nie mehr erlischt. Je nach dem Druck, den das Gas dabei aufbaut, ist die Flamme mehr oder weniger hoch. Auch neben den Feuern dringt das Gas aus der Erde, man kann es zum Beispiel in Pfützen sehen, wo dann kleine Bläschen aufsteigen.
Ortschaft reiht sich an Ortschaft. Manche davon sind kilometerlang. Viele Leute sind auf der Straße, die meisten mit einer Tüte Lebensmitteln in der Hand. Schaut ein wenig so aus, als ob die Kirche aus ist, die Leute eingekauft haben und jetzt nach Hause gehen.
Je weiter ich in das Tal hineinfahre, umso ärmlicher werden die Häuser und Dörfer. Ein paar Pferdewagen stehen am Straßenrand, die Pferde sind mit einer Decke gegen den kalten Wind geschützt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag, aber wenn man solche Details erkennt, dann hat man doch das Gefühl, dass die Tiere hier nicht nur Arbeitswerkzeuge sind.
Neugierige Blicke begegnen mir, der mit dem Motorrad im Schlepp hier entlang kommt. Aber wie meistens in diesem Land spüre ich Offenheit, mir als Fremden gegenüber.
Ich sehe ein zur Hälfte abgebrochenes Schild, dass auf die Focul Viu hinweist, nach 600m geht es links ab. Direkt neben dem Schild ist eine Fußgängerbrücke. Ich entschließe mich, den Rest zu Fuß zurückzulegen, wird schon nicht so weit sein. Voher will ich das Gespann wenden und fahre deshalb noch ein ganzen Stück ins Tal hinein. Nicht, weil ich nicht hätte wenden können, sondern weil hier alles irgendwie beeindruckend ist. Die außergewöhnliche Form der erodierten Felsen, die Hänge, das Flusstal und auch die Dörfer.
Als ich zurückkomme und beim Schild stehen bleibe, kommt die Dorfjugend neugierig heran. Jeder wünscht mir buna ziua – guten Tag, und schaut ein wenig neugierig auf mein Gespann, während ich die Wanderstiefel anziehe. Dann ist die erste Neugierde befriedigt und sie wenden sich wieder anderen Dingen zu. Die Jungen spielen Ball oder fahren Fahhrad, die Mädchen haben fast alle ein Handy am Ohr.
Die Kamera über der Schulter wechsle ich auf die andere Flusseite und frage eine alte Frau nach dem Weg. Die erklärt mir, dass ich da vorne den Berg hoch muss. Ich frage, ob es weit ist, sie meint, so an die 2km. Weiter vorne schleppen zwei kleine Mädchen eine große Tüte voller Lebensmitteln abwechselnd, jede von ihnen hat eine kleine Tüte mit Jumbo-Flips in der Hand.
Die Straße den Berg hinauf ist steil und teilweise unbefestigt. Der Focus würde es aber leicht schaffen. Ich freue mich aber mal, ein wenig zu Fuß gehen zu dürfen und genieße die Geräusche des Landlebens. Der Hahn nebenan kräht, ein anderer von weiter weg antwortet. Ein Hund kläfft mich an, Ziegen meckern hinter dem Zaun. Schon habe ich den Ortsrand erreicht und sehe vor mir eine große Hinweistafel. Eine Art Wartehäuschen dahinter hat schon kein Dach und keine Verkleidung mehr und eine mit weißer, abblätternder Farbe gestrichene Treppe führt in holprigem Zickzack einen Hang hinauf.
Auf dem Schild stehen ein paar Hinweise und Verbote es zeigt eine kleine Karte des Gebietes um die Feuer.
Ich gehe die Treppe hinauf und sehe eine kleine runde Mauer, jede Menge Sitzbänke und ein Holzgebäude, in dem früher vermutlich ess- und trinkbares verkauft oder konsumiert wurde.
Die Feuer lodern an mehreren Stellen – das Ganze ist nicht so groß wie am Yanar-Dag, dem brennenden Berg, den wir 2012 in Azerbaidschan erlebt haben. Aber ich finde es dennoch eindrucksvoll. Der Boden ist feucht und überall, wo es nicht brennt blubbert es. Das Gas drückt offenbar Wasser mit hoch und da, wo dieses nicht gleich weglaufen kann, sieht man die Gasbläschen.
Eine Famile kommt vorbei, macht ein paar Bilder und ist keine 10 Minuten später wieder im Auto unterwegs. Ansonsten bleibe ich alleine hier, genieße die Wärme des Feuers und die Stille.
Dann gehe ich zurück zum Auto, fahre den Weg zurück, den ich gekommen bin. Als ich anhalte, um eine besonders beeindruckende Felsformation zu fotografieren, kommt ein Mann hinter mir aus dem Haus, stellt sich in Position und will ebenfalls fotografiert werden. Ich tue ihm den Gefallen.
Eine krasse Brücke erinnert mich an die große Brücke in Timisoara, bei meinem ersten Besuch in Rumänien 2006. Hier braucht man die ganze Fahrbahnbreite, Schrittempo wäre schon Raserei.
Bald bin ich wieder auf der E85 und setze meine Fahrt nach Bacău fort. Knappe 70 Kilometer sind es noch. Was mir schon während der ganzen Zeit aufgefallen ist: Es gibt sehr viele Polizei- und Radarkontrollen. Ich denke, man will den vielen Kreuzen entlang der Straßen Herr weden und die Ursachen dazu ein wenig eindämmen.
Es wird aber eifrig mit de Lichthupe gewarnt – egal, ob man auf der Straßenseite ist, auf der geblitzt wird oder in der Gegenrichtung.
In Bacau führt mich das Navi erst außen herum, bevor ich mit einem enger werdenden Boden in die Innenstadt eintauche und direkt zur Pension komme. Ich fahre durch das große Hoftor, der Parkplatzwächter macht mich aber aufmerksam, dass Pensionsgäste draußen an der Straße parken müssen. Er erlaubt mir aber, solange stehen zu bleiben, bis ich eingechecked habe.
Zum ersten Mal bekomme ich ein Kompliment in Bezug auf mein Rumänisch. Der Portier fragt mich, ob ich aus Rumänien bin. Ich verneine, er meint, ich spreche perfekt rumänisch. Na ja, ich denke, er wollte mir einfach eine Freude machen. Nachdem ich den Zimmerschlüssel habe, löse ich mein Versprechen beim Parkplatzwächter ein und stelle mich auf die Straße. Ich gehe mit dem Gepäck aufs Zimmer und richte mich ein. Als ich die Tagesdecke vom Bett nehme, ist keine Zudecke da. Die finde ich aber nach einer kurzen Suche im Schrank. Alles in allem ein tolles Zimmer dafür, dass ich die günstigste Pension von Bacău gebucht habe.
Ich gehe runter und frage nach dem code de secret fürs WLAN und nach einem Restaurant. Der Portier meint, im Hof gäbe es eine Pizzeria und ein Restaurant, beide kann er empfehlen.
Ich entscheide mich für das Restaurant, es ist schön eingerichtet und die Bedienung ist sehr freundlich. Als Willkommen kommt sie mit einem Brett, auf dem 6 Schnapsgläser stehen und einer Flasche Palinka, in der ais Holz irgendetwas reingebastelt ist – wie auch immer die das da reinbekommen haben. Eu nu beau alcool hört sie sicher nicht allzu oft 😉
Ich bestelle gegrittels Schaffleich mit Krautsalat und Fladenbrot, dazu eine kleine Cola und eine große Flasche Wasser. Bis das Essen kommt, kümmert sich die nette Frau ständig um mein Wohlergehen, schenkt nach und wechselt ein paar Worte mit mir. Ich spreche rumänisch mit ihr, sie englisch mit mir – es will halt jeder von uns sein Vokabular trainieren 😉
Das Essen ist wirklich lecker und so reichlich, dass ich die angepeilte Papanasi sein lasse.
Auf der Speisekarte steht ein 1.100 Gramm Rindersteak für 30 Lei, das sind ca. 6,70 Euro. Ich weiß nicht, wer das gegessen bekommt. Ich muss schon einen Teil des Krautsalats zurückgehen lassen, sehr zum Verdruss der Kellnerin, bis ich ihr erzähle, dass ich in Rumänien ‚Fred de jumatate – Fred die halbe Portion‚ genannt werde.
Ich zahle und gehe satt und zufrieden zurück ins Hotel. Wenig später fängt es drauen an zu regnen, aber nur kurz.
Manm, geht es mir gut.
Das Schöne an meiner Art zu reisen ist, dass man kein vorgeschriebenes Programm hat, sondern jeden Tag aufs neue entscheidet. Hätte ich vorher einen Ablauf geplant, dann hätte ich die Lebenden Feuer verpasst.
16 Mrz 2014
Sonntag, 16.03.2014 Focul Viu – Höllenfeuer oder ewiges Licht?
Die Nacht war ruhig und die Dusche ist heiß und hat deutlich mehr Wasser als die Andere – auch wenn es nicht nur an den Sollstellen herauskommt, sondern auch am Rand. Während ich zusammenpacke, stehen auch die Nachbarn auf. Etliche der Reste vom Essen gestern (ich denke mal, mehr als 10% wurden gestern nicht konsumiert) bekommt der Hofhund als Frühstück. Ich derweil zurre das Motorrad auf dem Hänger fest und lade das Gepäck ins Auto.
Heute wird es eine Verbindungsetappe geben. 320 Kilometer nach Bacău. Na gut, ein kleiner Umweg ist auch dabei.
Ich will in Andreiașu de Jos vorbei, wo es sehenswertes gibt: Vocul Viu – Lebendiges Feuer. Getsern hatte ich ja bereits vor, einen ebensolchen Ort in Lopătari anzufahren, habe mich dann aber doch verleiten lassen, lieber mein Endurowandern-Vakkum aufzufüllen. Nun hätte ich auch heute dahin gekonnt, denke aber, das ich mit Elisabeth sicher nochmals zu den Schlammvulkanen komme und dann auch dorthin fahren werde.
Die in Andreiașu de Jos habe ich eher zufällig bei meiner Recherche gefunden, früher fand man sie in den Reiseführern, irgendwann wurde es getilgt – warum auch immer. Für mich ideal, sie liegen auf der Hälfte der heutigen Srecke, ich kann Focşani umfahren, dann ist es nur noch ein Stich von weniger als 20km einfach.
Zuerst aber muss ich hier auschecken. Das gestaltet sich relativ einfach, der Betrag wird nicht von der gebuchten Währung Euro auf Lei umgerechnet, sondern geschätzt und dann abgerundet.
Freundlich schüttelt mir der Alte Mann die Hand, bedankt sich und wünscht mir viel Gesundheit und eine gute Reise. Dann starte ich den Motor und gehe die 300m Horrorstrecke an. Bergab ist das natürlich weitaus einfacher und hell ist es auch – im Gegensatz zur Anfahrt. Aber auch diesmal liegt loser Kies auf dem Weg und so rutsche ich Teile des Weges auf dem rollenden Kies hinab. Rechts abbiegen, dann noch 500m bis zur Ortsausfahrt. Da geht es links bis auf die große Straße. Hier ist zwar asphaltiert, aber das ist fast schlimmer als ohne – riesige Schlaglöcher tun sich auf und versuchen das Gespann zu verschlingen 😉
Die Straße nach Buzau hingegen ist ein Traum, ebenso die E85 bis kurz vor Focşani. Wie immer, wenn ich alleine unterwegs bin, hängeich meinen Gedanken nach, lasse das Erlebte nochmal Revue passieren und denke über mein Leben nach. Wer hier mit offenen Augen unterwegs ist, der hat zu Hause wenig Grund zum Jammern, das wird mir immer wieder bewusst.
Die Tage hat mich jemand gefragt, ob ich reich bin. Ich habe ihm geantwortet: Wenn Du es auf Geld reduzierst, dann gehöre ich ganz bestimmt nicht zu den Reichen, mein materieller Reichtum viel meiner Scheidung zum Opfer. Dennoch würde ich mich als einen reichen Menschen bezeichnen, denn ich habe das Glück, diesen Planteten mit offenen Augen wahrnehmen zu können. Ich darf vieles erleben und habe die Möglichkeit, andere Länder, andere Kulturen und vor allem deren Menschen kennen zu lernen – das ist ein Reichtum, der sich nicht in Geld messen lässt. Ob mein Gegenüber verstanden hat, was ich sagen wollte weiß ich nicht. Aufgrund der Sprachbarriere fand das Gespräch in Englisch statt.
Die Welt außerhalb des Autos ist inzwischen flacher geworden. Links und rechts der Straße erstrecken sich Weinberge – na ja, eher Weinebenen. Rumänien hat eine über 6.000 Jahre alte Weinkultur, die im 12. Jahrhundert von den Siebenbürger Sachsen beeinflusst und im 18. Jahrhundert durch die Banater Schwaben gestärkt und verfeinert wurde. Der bekannteste Wein Rumäniens ist der Grasă de Cotnari, der aus Moldavien kommt, die Grenze zu Moldavien verläuft ca. 50km rechts von mir. Ich habe gelesen, dass sich ca. 16% der Weinanbaugebiete noch immer in staatlichem Besitz befinden, der Rest der nach dem Krieg verstaatlichten Flächen wird heute von Groß- und Kleinwinzern bewirtschaftet. Die einzelnen Abschnitte unterscheiden sich deutlich. Während einige eher verwildert wirken, sind andere gepflegt und wiederum andere sind wie geleckt. Ich überlege mir, welche der vorher genannten Gruppen zu welchem Feld gehört.
Kurz vor Focşani muss ich diese Überlegungen beenden, denn das Navi führt mich nach links von der Straße ab. Erst ein Stück schlechter Asphalt, dann unbefestigte Straße. Kein Problem mehr für mich. Ich war schon oft genug in diesem Land und habe die ersten Jahre schlimmeres gesehen. Den großen Schlaglöchern weiche ich aus, die anderen durchfahre ich sanft. Ein Schäfer steht am Wegesrand, der Pelz der Schafe ist zottig und denen ist bestimmt mittlerweile zu warm. Ich weiß nicht, wie lange ich so dahingerollt bin, bis ich wieder auf eine befestigte Straße komme, diese biegt nach links ab, in das Tal, das der Fluss Milcov einst geschaffen hat. Heute hat er immer noch ein breites, zerfurchtes Flussbett, führt aber wenig Wasser.
Vocul Viu – lebendige Feuer
Ortschaft reiht sich an Ortschaft. Manche davon sind kilometerlang. Viele Leute sind auf der Straße, die meisten mit einer Tüte Lebensmitteln in der Hand. Schaut ein wenig so aus, als ob die Kirche aus ist, die Leute eingekauft haben und jetzt nach Hause gehen.
Je weiter ich in das Tal hineinfahre, umso ärmlicher werden die Häuser und Dörfer. Ein paar Pferdewagen stehen am Straßenrand, die Pferde sind mit einer Decke gegen den kalten Wind geschützt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag, aber wenn man solche Details erkennt, dann hat man doch das Gefühl, dass die Tiere hier nicht nur Arbeitswerkzeuge sind.
Neugierige Blicke begegnen mir, der mit dem Motorrad im Schlepp hier entlang kommt. Aber wie meistens in diesem Land spüre ich Offenheit, mir als Fremden gegenüber.
Ich sehe ein zur Hälfte abgebrochenes Schild, dass auf die Focul Viu hinweist, nach 600m geht es links ab. Direkt neben dem Schild ist eine Fußgängerbrücke. Ich entschließe mich, den Rest zu Fuß zurückzulegen, wird schon nicht so weit sein. Voher will ich das Gespann wenden und fahre deshalb noch ein ganzen Stück ins Tal hinein. Nicht, weil ich nicht hätte wenden können, sondern weil hier alles irgendwie beeindruckend ist. Die außergewöhnliche Form der erodierten Felsen, die Hänge, das Flusstal und auch die Dörfer.
Als ich zurückkomme und beim Schild stehen bleibe, kommt die Dorfjugend neugierig heran. Jeder wünscht mir buna ziua – guten Tag, und schaut ein wenig neugierig auf mein Gespann, während ich die Wanderstiefel anziehe. Dann ist die erste Neugierde befriedigt und sie wenden sich wieder anderen Dingen zu. Die Jungen spielen Ball oder fahren Fahhrad, die Mädchen haben fast alle ein Handy am Ohr.
Die Kamera über der Schulter wechsle ich auf die andere Flusseite und frage eine alte Frau nach dem Weg. Die erklärt mir, dass ich da vorne den Berg hoch muss. Ich frage, ob es weit ist, sie meint, so an die 2km. Weiter vorne schleppen zwei kleine Mädchen eine große Tüte voller Lebensmitteln abwechselnd, jede von ihnen hat eine kleine Tüte mit Jumbo-Flips in der Hand.
Die Straße den Berg hinauf ist steil und teilweise unbefestigt. Der Focus würde es aber leicht schaffen. Ich freue mich aber mal, ein wenig zu Fuß gehen zu dürfen und genieße die Geräusche des Landlebens. Der Hahn nebenan kräht, ein anderer von weiter weg antwortet. Ein Hund kläfft mich an, Ziegen meckern hinter dem Zaun. Schon habe ich den Ortsrand erreicht und sehe vor mir eine große Hinweistafel. Eine Art Wartehäuschen dahinter hat schon kein Dach und keine Verkleidung mehr und eine mit weißer, abblätternder Farbe gestrichene Treppe führt in holprigem Zickzack einen Hang hinauf.
Auf dem Schild stehen ein paar Hinweise und Verbote es zeigt eine kleine Karte des Gebietes um die Feuer.
Ich gehe die Treppe hinauf und sehe eine kleine runde Mauer, jede Menge Sitzbänke und ein Holzgebäude, in dem früher vermutlich ess- und trinkbares verkauft oder konsumiert wurde.
Die Feuer lodern an mehreren Stellen – das Ganze ist nicht so groß wie am Yanar-Dag, dem brennenden Berg, den wir 2012 in Azerbaidschan erlebt haben. Aber ich finde es dennoch eindrucksvoll. Der Boden ist feucht und überall, wo es nicht brennt blubbert es. Das Gas drückt offenbar Wasser mit hoch und da, wo dieses nicht gleich weglaufen kann, sieht man die Gasbläschen.
Eine Famile kommt vorbei, macht ein paar Bilder und ist keine 10 Minuten später wieder im Auto unterwegs. Ansonsten bleibe ich alleine hier, genieße die Wärme des Feuers und die Stille.
Dann gehe ich zurück zum Auto, fahre den Weg zurück, den ich gekommen bin. Als ich anhalte, um eine besonders beeindruckende Felsformation zu fotografieren, kommt ein Mann hinter mir aus dem Haus, stellt sich in Position und will ebenfalls fotografiert werden. Ich tue ihm den Gefallen.
Eine krasse Brücke erinnert mich an die große Brücke in Timisoara, bei meinem ersten Besuch in Rumänien 2006. Hier braucht man die ganze Fahrbahnbreite, Schrittempo wäre schon Raserei.
Bald bin ich wieder auf der E85 und setze meine Fahrt nach Bacău fort. Knappe 70 Kilometer sind es noch. Was mir schon während der ganzen Zeit aufgefallen ist: Es gibt sehr viele Polizei- und Radarkontrollen. Ich denke, man will den vielen Kreuzen entlang der Straßen Herr weden und die Ursachen dazu ein wenig eindämmen.
Es wird aber eifrig mit de Lichthupe gewarnt – egal, ob man auf der Straßenseite ist, auf der geblitzt wird oder in der Gegenrichtung.
In Bacau führt mich das Navi erst außen herum, bevor ich mit einem enger werdenden Boden in die Innenstadt eintauche und direkt zur Pension komme. Ich fahre durch das große Hoftor, der Parkplatzwächter macht mich aber aufmerksam, dass Pensionsgäste draußen an der Straße parken müssen. Er erlaubt mir aber, solange stehen zu bleiben, bis ich eingechecked habe.
Zum ersten Mal bekomme ich ein Kompliment in Bezug auf mein Rumänisch. Der Portier fragt mich, ob ich aus Rumänien bin. Ich verneine, er meint, ich spreche perfekt rumänisch. Na ja, ich denke, er wollte mir einfach eine Freude machen. Nachdem ich den Zimmerschlüssel habe, löse ich mein Versprechen beim Parkplatzwächter ein und stelle mich auf die Straße. Ich gehe mit dem Gepäck aufs Zimmer und richte mich ein. Als ich die Tagesdecke vom Bett nehme, ist keine Zudecke da. Die finde ich aber nach einer kurzen Suche im Schrank. Alles in allem ein tolles Zimmer dafür, dass ich die günstigste Pension von Bacău gebucht habe.
Ich gehe runter und frage nach dem code de secret fürs WLAN und nach einem Restaurant. Der Portier meint, im Hof gäbe es eine Pizzeria und ein Restaurant, beide kann er empfehlen.
Ich entscheide mich für das Restaurant, es ist schön eingerichtet und die Bedienung ist sehr freundlich. Als Willkommen kommt sie mit einem Brett, auf dem 6 Schnapsgläser stehen und einer Flasche Palinka, in der ais Holz irgendetwas reingebastelt ist – wie auch immer die das da reinbekommen haben. Eu nu beau alcool hört sie sicher nicht allzu oft 😉
Ich bestelle gegrittels Schaffleich mit Krautsalat und Fladenbrot, dazu eine kleine Cola und eine große Flasche Wasser. Bis das Essen kommt, kümmert sich die nette Frau ständig um mein Wohlergehen, schenkt nach und wechselt ein paar Worte mit mir. Ich spreche rumänisch mit ihr, sie englisch mit mir – es will halt jeder von uns sein Vokabular trainieren 😉
Das Essen ist wirklich lecker und so reichlich, dass ich die angepeilte Papanasi sein lasse.
Auf der Speisekarte steht ein 1.100 Gramm Rindersteak für 30 Lei, das sind ca. 6,70 Euro. Ich weiß nicht, wer das gegessen bekommt. Ich muss schon einen Teil des Krautsalats zurückgehen lassen, sehr zum Verdruss der Kellnerin, bis ich ihr erzähle, dass ich in Rumänien ‚Fred de jumatate – Fred die halbe Portion‚ genannt werde.
Ich zahle und gehe satt und zufrieden zurück ins Hotel. Wenig später fängt es drauen an zu regnen, aber nur kurz.
Manm, geht es mir gut.
Das Schöne an meiner Art zu reisen ist, dass man kein vorgeschriebenes Programm hat, sondern jeden Tag aufs neue entscheidet. Hätte ich vorher einen Ablauf geplant, dann hätte ich die Lebenden Feuer verpasst.