Gegen 07:30 Uhr drehe ich den Zündschlüssel und rolle auf die Straße. Hinten auf dem Hänger habe ich meine Fantic verzurrt. Während ich die B471 Richtung Autobahn nehme, kommen mir ein paar Oldtimer entgegen. Oldtimertage Fürstenfeldbruck. Für mich eher uninteressant – zu kommerziell. Ich bin heute in einer anderen Mission unterwegs. Der MC Rosenheim führt heute sein 2. Oldtimer-Trial durch. Da will ich hin.
Dass ich nicht der einzige bin, sehe ich in Brunntal. Hier staut es sich. Während es bei mir auf der A99 noch mit 40km/h vorwärts geht, steht der Verkehr auf der A8 links von mir. Dazwischen ein VW-Bus mit einem Hänger, auf dem zwei rote Fantic verzurrt sind. Grund für den Stau ist eine Baustelle. Hier wird die Fahrbahn abgefräst und neu aufasphaltiert. Um 11:00 Uhr beginnt die Veranstaltung laut Ausschreibung, vorher muss ich mich noch anmelden, aber ich habe noch jede Menge Zeit. Ein paar weitere Fahrzeuge überholen mich, in deren Heckfenstern Lenker in der typischen Trial-Form zu sehen sind.
Ich sinne so meinen Gedanken nach: Eigentlich bin ich noch nicht soweit, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Erst seit 4 Wochen bewege ich die Fantic, habe eigentlich nur zwei halbe Tage im Trialgelände trainiert. Aber es geht mir in erster Line um Paxis und auch darum, nach vielen durchgeschraubten Wochenenden und viel Projektarbeit im Büro mal den Kopf frei zu bekommen.
In Brannenburg geht es von der Autobahn ab, die Abfahrt selbst ist auch eine Baustelle. Hier sehe ich den ersten Wegweiser zur Veranstaltung. Wenig später lotst mich mein Navi links ab, ein Wegweiser ist hier nicht. Über eine schmale Straße nehme ich eine Abkürzung. Im Ort ist das samstagsvormittägliche Treiben in vollem Gange. Ein paar hundert Meter nach dem Ortsende geht es rechts ab zum Steinbruch. An der Waage vorbei lotst mich der Wegsweiser über eine Schotterstraße bergan. Hier befindet sich das Fahrerlager und in einer Halle, in der ein riesiger Radlader steht, sehe ich Bierbänke aufgebaut.
Motorräder werden abgeladen, es wird geschraubt oder schon mal Probe gefahren. Jemand in einer Fantic-Jacke und einer ebensolchen Hose kommt auf mich zu und begrüßt mich. Es ist der Peter Holzner, der beim MC-Rosenheim Verantworliche für Oldtimer-Trial. Peter zeigt mir, wo ich parken kann, wo die Anmeldung ist etc. Ich stelle mein Gespann ab und gehe erstmal gucken. Die Anmeldung ist noch nicht soweit, aber an der Speisen- und Getränketheke im hinteren Teil der Halle gibts derweil ein Frühstück für mich.
Als ich dann in der noch recht kurzen Schlange vor der Anmeldung stehe, tippt mir jemand auf die Schulter. Es ist Jacek Swider vom MC-Augsburg, der mir im Enduropark schon einige wertvolle Tipps gegeben hat. Der polnische Staatsmeister startet in der Klasse Pre65 mit einer Eigenbau-Zündapp in der Experts+ Klasse. Getreu dem Motto ‚Schuster bleib bei Deinen Leisten‚ begnüge ich mich mit der Gentleman-Spur in der Kategorie LuMo. Ich bin der Dritte auf der Anmeldeliste. Nachdem ich meinen Meldebogen abgegeben und das Nenngeld bezahlt habe, lade ich die Fantic ab. Der Bus mit den zwei roten Fantics von vorhin steht unweit von mir, der Fahrer begrüßt mich freundlich, er hat mich schon auf der Autobahn gesehen. Es geht familiär zu, viele kommen auf mich zu, haben Fragen zu meinem Motorrad oder freuen sich einfach, weil sie früher selber mal so eine hatten. Neben den klassischen Trialmotorrädern sind auch etliche Moderne dabei. Ich denke, das Zugeständnis ist nötig, um genügend Teilnehmer zu generieren, damit sich der Aufwand für so eine Verantstaltung lohnt.
Nach dem Abladen ziehe ich Knieschützer, Crosshose und Endurostiefel an. Dann schnappe ich mir die Kamera, um ein paar Impressionen einzufangen. Jacek’s Zündapp finde ich beim LKW-Waschplatz neben seinem Ducato, daneben eine Yamaha TY 270 LuMo BJ 1988, die – wie sich später herausstellt, dem Ludwig Brei gehört. Ludwig wurde 1972 zum ersten Mal Deutscher Meister im Trial – da begann ich gerade, an 50er Kreidler herumzuschrauben. Danach folgten noch etliche weitere Titel, bevor er die Trialstiefel für 20 Jahre an den Nagel hängte. Die Klassik-Trial-Szene weckte das Interesse des mittlerweile 65jährigen erneut, jetzt zeigt er den Jungen (und auch mir), dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Ein paar Fotos hier und dort, dann sehe ich einen Schirm, unter dem offenbar die technische Abnahme stattfindet. Meine Frage diesbezüglich wird bejaht, weshalb ich die Kamera umhänge und die Fantic hole. Technisch gibt es nichts auszusetzen. Die Finne beim Kettenblatt, die ich gestern noch aus Kunststoff ausgesägt und einen Halter dafür an die Schwinge geschweißt habe, hätte ich nicht benötigt – nur bei lizenzpflichtigen Veranstaltungen, meint der Technische Kommisar Detlef Hanzig. Dafür mahnt er meinen Helm an, den ich nicht dabei habe. Ich beteuere, dass er eine Zulassung hat und bekomme die Markierung auch so. Im Motorsport gilt noch das Ehrenwort.
Die Damen und Herren des MC-Rosenheim sitzen an einem Tisch zusammen, um aus der Startliste die unterschiedlichen Klassen zu Gruppen zusammenzustellen.
Unterschieden wird in die Motorradkategorien Pre65, Twinshock, LuMo und Modern, sowie in den Schwierigkeitsklassen Gentleman, Clubmen, Experts und Experts+, was in etwa den Spuren Rot, Schwarz, Grün und Blau entspricht.
Jacek ist der einzige Pre65-Teilnehmer und in der Lumo-Klasse sind es auch nur wenige, weshalb es eine gemischte Gruppe gibt, zu der auch ich gehöre:
Ludwig Brei
Experts+
Jacek Swider
Experts+
Christoph Dreher
Clubmen
Benedikt Biechele
Experts+
und ich
Gentleman
Los gehts.
Damit es nicht zu langen Staus kommt, können die Sektionen frei gewählt werden. Wir starten mit der Sektion 3. Während die Experts mehrere Male einen Hang hoch und runter und um Bäume zirkeln müssen, geht meine Spur längs am Hang, dann eine Kehre, eine Abfahrt hoch und dann wieder im rechten Winkel zum Hang bis zum Sektionsende. Die Kehre ist unhemlich eng; zack – der erste Fuß. Der Rest klappt ohne einen Stiefel von den Rasten zu nehmen. Den Fuß hätte es nicht gebraucht – aber so ist es halt mit der Realität.
Weiter zur Sektion 4. Für mich rein, dann im rechten Winkel einen kleinen Hang runter, einen Meter daneben wieder hoch, nach rechts und dann schräg am Hang und eine Kurve über einen Betonbrocken bis zum Ende. Wieder das gleiche Dilemma: Für die Kehre unten brauche ich mehr Platz als zur Verfügung steht, ich komme in Schräglage zum Hang, gebe zu viel Gas und komme oben im Wheelie über die Kante. Zwei Füße. Sektion 5 geht durch einen Graben, dann über eine Steinstufe zwischen zwei Bäumen durch, hinten eine enge Kehre, schräg zum Hang hoch bis zum Ende. Wieder zwei Füße. Sektion 6 fängt gut an, aber bei der Kehre rutscht mir das Hinterrad in den Hang – auch diesmal muss ich einen Fuß setzen.
Mir läuft der Schweiß, dabei haben wir noch gar nicht richtig angefangen. Ich fahre zum Rucksack, um zu trinken. Danach finde ich meine Gruppe nicht mehr. Nachdem ich einmal auf und ab gefahren bin, werde ich abgeholt. Die nächsten drei Sektionen befinden sich im Wald. Sektion 7 klappt! Hurra, endlich mal eine 0 auf dem Wertungszettel. Bei der nächsten Sektion klappt die Kehre talwärts ganz gut, dafür patze ich bei der Ausfahrt. Sektion 9 klappt wieder ohne Punkte.
Die nächste Sektion besteht aus einem trockenen Bachbett mit losem Schotter und größeren Brocken zwischendurch, was auf etwa 300m längs befahren werden muss. Ich fahre sie im ersten Gang, zu viel Kraft am Hinterrad und zu wenig Geschwindigkeit. Einmal muss ich mit dem Fuß abstützen und einmal anschieben, weil das Hinterrad durchdreht. Dummheitsfehler – hier hätte ich den zweiten oder dritten Gang fahren sollen. Gegenüber die Sektion 11, bei der ich wiederum an der Kehre einen Fuß benötige.
Dann fahren wir runter zu den ersten Sektionen. Sektion 1 führt über einen Kieshaufen, dann eine Auffahrt hoch, worauf es im 90 Grad winkel nach rechts um einen kleinen Baumstumpf herum geht. Dann eine Steilauffahrt hinunter, enge Kehre, wieder ein Stück hoch und in einer S-Kurve um einen Baum herum. Bei der Kehre unten brauche ich wieder zu viel Platz, komme schon fast am Baum in den Hang und deshalb auch nicht um den Baum herum. Verpatzt. Die Sektion 2 geht gleich in eine Linkskehre gefolgt von einer Rechtskehre, dann einen Hang hoch zwischen zwei Bäume, um einen Baumstumpf im spitzen Winkel nach links. Hier zuckle ich mit immer wieder stehen und kleinen Vorwärtsschüben mit dem Vorderrad am Absperrband herum, aber es klappt. Es folgt noch eine Rechtskehre, da brauche ich einen Fuß.
Die letzte , Sektion 12 brauche ich nicht zu fahren. Es geht über eine ca. 60m lange Strecke aus Felsbrocken. Hier mache ich den Punktrichter. Jacek holt sich hier seine erste 5, und auch Christoph legt seine Montesa auf die Steinbrocken.
Erster Durchgang geschafft. Wir fahren zurück zur Halle, geben den Wertungszettel ab und holen einen neuen. Dann verabreden wir eine zehnminütige Pause. Ich lasse mir die Sektionen nochmal durch den Kopf gehen und komme zu dem Schluss, dass ich immer wieder in den Enduro-Stil zurück gefallen bin. Anstatt das Motorrad in die Kurve zu neigen und das äußere Knie dabei abzuwinkeln, hatte ich enduromäßig die Knie am Tank oder eben darüber. Bei den Auffahrten bin ich zu weit hinten gewesen und so am Lenker gehängt. Lange Zeit für Analyse bleibt mir allerdings nicht. Schnell sind die 10 Minuten um und es geht weiter in die zweite Runde.
Diesmal fahren wir die Sektionen der Reihe nach. Bei Sektion 1 versage ich erneut. Die Kehre fahre ich wieder zu breit, versuche mit einem Linksbogen zu kompensieren und würde die Fantic am Baum ab. 5 Punkte – fängt ja schon gut an. Sektion 2, 3 und 4 laufen diesmal gut. Allerdings habe ich mir – wie auch immer – bei der letzten Sektion eine Zerrung im linken Oberschenkel zugezogen. Während ich auf meinen Einsatz bei der Sektion 5 warte, jagen unsere beiden jungen Teamkollegen immerzu einen Steilhang hoch und runter. Auch die Pause haben sie fahrend auf dem Mopped überbrückt. Sektion 5 läuft diesmal gut, bei der Sektion 6 staut es sich. Mag sein, dass das abträglich für meine Konzentration war, jedenfalls vermurkse ich diese komplett. 7 klappt, bei 8 verfahre ich mich an der Ausfahrt, ebenso bei Sektion 9. Das Bachbett nehme ich diesmal im Dritten problemlos. Die Wartezeiten verbringe ich nicht wie vorher auf dem Mopped sitzend, sondern stehe daneben, wegen meiner Zerrung. Die letzte Sektion für Gentlemans braucht diesmal sogar zwei Füße, weil ich den Stein vor Sektionsende zu eng umfahren habe.
Die Experts nehmen noch die 12. Sektion, dann geht es wiederum zur Halle und zum Tausch der Wertungskarten.
Wieder eine kurze Pause und wieder die Erkenntnis, dass ich immer wieder in die Endurotechnik abgedriftet bin. Es ist ein großer Unterschied, ob man beim Üben mehrfach hintereinander die gleiche Stelle befährt und dabei bewußt auf seine Fahrtechnik achtet, oder ob man unter Wettbewerbsbedingungen nur eine Chance hat und jede Menge mehr oder weniger unbekannte Stellen hintereinander abfährt.
Die kurze Pause tut meiner Zerrung gut, fast nicht mehr zu spüren, als wir uns an die dritte und letzte Runde machen. Die erste Sektion fahre ich diesmal besonders schlecht. Ich passiere den kleinen Baumstumpf an der rechten Seite, habe noch weniger Platz für die Kurve und bleibe an einem kleinen Baum hängen. Gleich eine 5 zum Anfang. 2, 3 und 4 klappen wieder mit 0 Punkten, bei der Sektion 5 rutscht mir das Hinterrad bei der Schrägfahrt im Hang weg. Bei der Sektion 9 meint ein anderer Teilnehmer, dass ich die Spur falsch interprediert und deshalb ein Tor von der falschen Seite aus durchfahren hätte. Wieder ne 5, obwohl ich keinen Fuß gesetzt hatte. Der Rest funktioniert wieder.
So ganz zufrieden bin ich nicht mit meinem Ergebnis, allerdings auch nicht gänzlich unzufrieden. 10 fehlerfreie von 33 Sektionen ist m.E. ok für das erste Mal. Wenn das mit der fehlinterpredierten Spur nicht gewesen wäre, dann wäre ein Drittel der Sektionen fehlerfrei. Es gibt noch ordentlich Luft nach oben. Wichtig ist, dass ich den Trial-Schalter im Kopf beim Fahren dauerhaft eingeschaltet bekomme. Ich habe viel gelernt, so manchen wertvollen Tipp bekommen und jede Menge toller Leute kennen gelernt. Und Spaß hat es auch noch gemacht – ich würde sagen: Tagesziel erreicht.
Während andere noch mit den Sektionen beschäftigt sind, sitzen wir für ein erstes Getränk und ein wenig Manöverkritik schon am Tisch. Danach lade ich meine Fantic auf den Hänger und tausche Schutzkleidung gegen Ziviloutfit, Motorrad gegen Kamera. Viele Gespräche mit anderen Teilnehmern und Zaungästen, ein paar Fotos, ein langes Gespräch mit Detlef Hanzig, der mit ein wenig von seiner motorsportlichen Vergangenheit erzählt. Christian Müller und vor allem Peter Holzner haben sich während des ganzen Tages immer wieder erkundigt, ob es mir gefällt und wie ich mit meinen paar Stunden Trainig so zurecht komme.
Nach und nach füllt sich die Infotafel mit den Ergebnissen der einzelnen Läufe. Als die Endergebnisse feststehen, wird nochmals die Reihenfolge der einschiebbaren Streifen auf der Anzeigetafel verändert. Währenddessen werden auf dem Tisch davor schon jede Menge Medallien ausgelegt. Dann beginnt Christian Müller mit der Laudatio, in der er sich bei denen bedankt, die zur Durchführung der Veranstaltung beigetragen haben. Peter Holzner übernimmt die Siegerehrung, bei der alle Beteiligten – ob auf dem Treppchen oder nicht – einen Applaus bekommen. Die ersten drei jeder Klasse bekommen von Christian eine Medallie umgehängt und werden zusammen fotografiert. Auch ich bin darunter mit einem (unverdienten) ersten Platz, den ich aber nicht aufgrund meiner Leistung geschafft habe, sondern vielmehr weil die LuMo-Klasse bei diesem Wettbewerb stark unterrepräsentiert war.
Das Wetter hat über den ganzen Tag super gehalten, jetzt zieht sich der Himmel langsam zu. Zeit für mich, sich zu verabschieden. Bei meinen Teamkollegen, bei den Veranstaltern und bei den anderen Teilnehmern, die ich kennen gelernt habe. Im Nu bin ich auf der Autobahn, die Heimfahrt läuft soweit ganz gut, bei Haar habe ich gerade noch Glück, vor der Sperrung durchzukommen, da wird eine Brücke abgebaut. Eine Drohne schwirrt umher, um die Aktion per Video zu dokumentieren und auch etliche Fotografen stehen auf der nächsten Brücke mit ihren Stativen bereit.
In Esting gehe ich noch kurz das Mopped waschen, die Sonne ist gerade vollständig hinterm Horizont verschwunden, als ich zu Hause ankomme. Alles in allem ein rundum gelungener Tag mit vielen positiven Eindrücken, der nach einer Wiederholung schreit. Nach Rosenheim komme ich gerne wieder!
19 Sep 2015
0 CommentsSamstag, 19.09.2015 Mein erstes Mal
Gegen 07:30 Uhr drehe ich den Zündschlüssel und rolle auf die Straße. Hinten auf dem Hänger habe ich meine Fantic verzurrt. Während ich die B471 Richtung Autobahn nehme, kommen mir ein paar Oldtimer entgegen. Oldtimertage Fürstenfeldbruck. Für mich eher uninteressant – zu kommerziell. Ich bin heute in einer anderen Mission unterwegs. Der MC Rosenheim führt heute sein 2. Oldtimer-Trial durch. Da will ich hin.
Dass ich nicht der einzige bin, sehe ich in Brunntal. Hier staut es sich. Während es bei mir auf der A99 noch mit 40km/h vorwärts geht, steht der Verkehr auf der A8 links von mir. Dazwischen ein VW-Bus mit einem Hänger, auf dem zwei rote Fantic verzurrt sind. Grund für den Stau ist eine Baustelle. Hier wird die Fahrbahn abgefräst und neu aufasphaltiert. Um 11:00 Uhr beginnt die Veranstaltung laut Ausschreibung, vorher muss ich mich noch anmelden, aber ich habe noch jede Menge Zeit. Ein paar weitere Fahrzeuge überholen mich, in deren Heckfenstern Lenker in der typischen Trial-Form zu sehen sind.
Ich sinne so meinen Gedanken nach: Eigentlich bin ich noch nicht soweit, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Erst seit 4 Wochen bewege ich die Fantic, habe eigentlich nur zwei halbe Tage im Trialgelände trainiert. Aber es geht mir in erster Line um Paxis und auch darum, nach vielen durchgeschraubten Wochenenden und viel Projektarbeit im Büro mal den Kopf frei zu bekommen.
In Brannenburg geht es von der Autobahn ab, die Abfahrt selbst ist auch eine Baustelle. Hier sehe ich den ersten Wegweiser zur Veranstaltung. Wenig später lotst mich mein Navi links ab, ein Wegweiser ist hier nicht. Über eine schmale Straße nehme ich eine Abkürzung. Im Ort ist das samstagsvormittägliche Treiben in vollem Gange. Ein paar hundert Meter nach dem Ortsende geht es rechts ab zum Steinbruch. An der Waage vorbei lotst mich der Wegsweiser über eine Schotterstraße bergan. Hier befindet sich das Fahrerlager und in einer Halle, in der ein riesiger Radlader steht, sehe ich Bierbänke aufgebaut.
Motorräder werden abgeladen, es wird geschraubt oder schon mal Probe gefahren. Jemand in einer Fantic-Jacke und einer ebensolchen Hose kommt auf mich zu und begrüßt mich. Es ist der Peter Holzner, der beim MC-Rosenheim Verantworliche für Oldtimer-Trial. Peter zeigt mir, wo ich parken kann, wo die Anmeldung ist etc. Ich stelle mein Gespann ab und gehe erstmal gucken. Die Anmeldung ist noch nicht soweit, aber an der Speisen- und Getränketheke im hinteren Teil der Halle gibts derweil ein Frühstück für mich.
Als ich dann in der noch recht kurzen Schlange vor der Anmeldung stehe, tippt mir jemand auf die Schulter. Es ist Jacek Swider vom MC-Augsburg, der mir im Enduropark schon einige wertvolle Tipps gegeben hat. Der polnische Staatsmeister startet in der Klasse Pre65 mit einer Eigenbau-Zündapp in der Experts+ Klasse. Getreu dem Motto ‚Schuster bleib bei Deinen Leisten‚ begnüge ich mich mit der Gentleman-Spur in der Kategorie LuMo. Ich bin der Dritte auf der Anmeldeliste. Nachdem ich meinen Meldebogen abgegeben und das Nenngeld bezahlt habe, lade ich die Fantic ab. Der Bus mit den zwei roten Fantics von vorhin steht unweit von mir, der Fahrer begrüßt mich freundlich, er hat mich schon auf der Autobahn gesehen. Es geht familiär zu, viele kommen auf mich zu, haben Fragen zu meinem Motorrad oder freuen sich einfach, weil sie früher selber mal so eine hatten. Neben den klassischen Trialmotorrädern sind auch etliche Moderne dabei. Ich denke, das Zugeständnis ist nötig, um genügend Teilnehmer zu generieren, damit sich der Aufwand für so eine Verantstaltung lohnt.
Nach dem Abladen ziehe ich Knieschützer, Crosshose und Endurostiefel an. Dann schnappe ich mir die Kamera, um ein paar Impressionen einzufangen. Jacek’s Zündapp finde ich beim LKW-Waschplatz neben seinem Ducato, daneben eine Yamaha TY 270 LuMo BJ 1988, die – wie sich später herausstellt, dem Ludwig Brei gehört. Ludwig wurde 1972 zum ersten Mal Deutscher Meister im Trial – da begann ich gerade, an 50er Kreidler herumzuschrauben. Danach folgten noch etliche weitere Titel, bevor er die Trialstiefel für 20 Jahre an den Nagel hängte. Die Klassik-Trial-Szene weckte das Interesse des mittlerweile 65jährigen erneut, jetzt zeigt er den Jungen (und auch mir), dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Ein paar Fotos hier und dort, dann sehe ich einen Schirm, unter dem offenbar die technische Abnahme stattfindet. Meine Frage diesbezüglich wird bejaht, weshalb ich die Kamera umhänge und die Fantic hole. Technisch gibt es nichts auszusetzen. Die Finne beim Kettenblatt, die ich gestern noch aus Kunststoff ausgesägt und einen Halter dafür an die Schwinge geschweißt habe, hätte ich nicht benötigt – nur bei lizenzpflichtigen Veranstaltungen, meint der Technische Kommisar Detlef Hanzig. Dafür mahnt er meinen Helm an, den ich nicht dabei habe. Ich beteuere, dass er eine Zulassung hat und bekomme die Markierung auch so. Im Motorsport gilt noch das Ehrenwort.
Die Damen und Herren des MC-Rosenheim sitzen an einem Tisch zusammen, um aus der Startliste die unterschiedlichen Klassen zu Gruppen zusammenzustellen.
Unterschieden wird in die Motorradkategorien Pre65, Twinshock, LuMo und Modern, sowie in den Schwierigkeitsklassen Gentleman, Clubmen, Experts und Experts+, was in etwa den Spuren Rot, Schwarz, Grün und Blau entspricht.
Jacek ist der einzige Pre65-Teilnehmer und in der Lumo-Klasse sind es auch nur wenige, weshalb es eine gemischte Gruppe gibt, zu der auch ich gehöre:
Los gehts.
Damit es nicht zu langen Staus kommt, können die Sektionen frei gewählt werden. Wir starten mit der Sektion 3. Während die Experts mehrere Male einen Hang hoch und runter und um Bäume zirkeln müssen, geht meine Spur längs am Hang, dann eine Kehre, eine Abfahrt hoch und dann wieder im rechten Winkel zum Hang bis zum Sektionsende. Die Kehre ist unhemlich eng; zack – der erste Fuß. Der Rest klappt ohne einen Stiefel von den Rasten zu nehmen. Den Fuß hätte es nicht gebraucht – aber so ist es halt mit der Realität.
Weiter zur Sektion 4. Für mich rein, dann im rechten Winkel einen kleinen Hang runter, einen Meter daneben wieder hoch, nach rechts und dann schräg am Hang und eine Kurve über einen Betonbrocken bis zum Ende. Wieder das gleiche Dilemma: Für die Kehre unten brauche ich mehr Platz als zur Verfügung steht, ich komme in Schräglage zum Hang, gebe zu viel Gas und komme oben im Wheelie über die Kante. Zwei Füße.
Sektion 5 geht durch einen Graben, dann über eine Steinstufe zwischen zwei Bäumen durch, hinten eine enge Kehre, schräg zum Hang hoch bis zum Ende. Wieder zwei Füße.
Sektion 6 fängt gut an, aber bei der Kehre rutscht mir das Hinterrad in den Hang – auch diesmal muss ich einen Fuß setzen.
Mir läuft der Schweiß, dabei haben wir noch gar nicht richtig angefangen. Ich fahre zum Rucksack, um zu trinken. Danach finde ich meine Gruppe nicht mehr. Nachdem ich einmal auf und ab gefahren bin, werde ich abgeholt. Die nächsten drei Sektionen befinden sich im Wald.
Sektion 7 klappt! Hurra, endlich mal eine 0 auf dem Wertungszettel. Bei der nächsten Sektion klappt die Kehre talwärts ganz gut, dafür patze ich bei der Ausfahrt. Sektion 9 klappt wieder ohne Punkte.
Die nächste Sektion besteht aus einem trockenen Bachbett mit losem Schotter und größeren Brocken zwischendurch, was auf etwa 300m längs befahren werden muss. Ich fahre sie im ersten Gang, zu viel Kraft am Hinterrad und zu wenig Geschwindigkeit. Einmal muss ich mit dem Fuß abstützen und einmal anschieben, weil das Hinterrad durchdreht. Dummheitsfehler – hier hätte ich den zweiten oder dritten Gang fahren sollen. Gegenüber die Sektion 11, bei der ich wiederum an der Kehre einen Fuß benötige.
Dann fahren wir runter zu den ersten Sektionen. Sektion 1 führt über einen Kieshaufen, dann eine Auffahrt hoch, worauf es im 90 Grad winkel nach rechts um einen kleinen Baumstumpf herum geht. Dann eine Steilauffahrt hinunter, enge Kehre, wieder ein Stück hoch und in einer S-Kurve um einen Baum herum. Bei der Kehre unten brauche ich wieder zu viel Platz, komme schon fast am Baum in den Hang und deshalb auch nicht um den Baum herum. Verpatzt. Die Sektion 2 geht gleich in eine Linkskehre gefolgt von einer Rechtskehre, dann einen Hang hoch zwischen zwei Bäume, um einen Baumstumpf im spitzen Winkel nach links. Hier zuckle ich mit immer wieder stehen und kleinen Vorwärtsschüben mit dem Vorderrad am Absperrband herum, aber es klappt. Es folgt noch eine Rechtskehre, da brauche ich einen Fuß.
Die letzte , Sektion 12 brauche ich nicht zu fahren. Es geht über eine ca. 60m lange Strecke aus Felsbrocken. Hier mache ich den Punktrichter. Jacek holt sich hier seine erste 5, und auch Christoph legt seine Montesa auf die Steinbrocken.
Erster Durchgang geschafft. Wir fahren zurück zur Halle, geben den Wertungszettel ab und holen einen neuen. Dann verabreden wir eine zehnminütige Pause. Ich lasse mir die Sektionen nochmal durch den Kopf gehen und komme zu dem Schluss, dass ich immer wieder in den Enduro-Stil zurück gefallen bin. Anstatt das Motorrad in die Kurve zu neigen und das äußere Knie dabei abzuwinkeln, hatte ich enduromäßig die Knie am Tank oder eben darüber. Bei den Auffahrten bin ich zu weit hinten gewesen und so am Lenker gehängt. Lange Zeit für Analyse bleibt mir allerdings nicht. Schnell sind die 10 Minuten um und es geht weiter in die zweite Runde.
Diesmal fahren wir die Sektionen der Reihe nach. Bei Sektion 1 versage ich erneut. Die Kehre fahre ich wieder zu breit, versuche mit einem Linksbogen zu kompensieren und würde die Fantic am Baum ab. 5 Punkte – fängt ja schon gut an. Sektion 2, 3 und 4 laufen diesmal gut. Allerdings habe ich mir – wie auch immer – bei der letzten Sektion eine Zerrung im linken Oberschenkel zugezogen. Während ich auf meinen Einsatz bei der Sektion 5 warte, jagen unsere beiden jungen Teamkollegen immerzu einen Steilhang hoch und runter. Auch die Pause haben sie fahrend auf dem Mopped überbrückt. Sektion 5 läuft diesmal gut, bei der Sektion 6 staut es sich. Mag sein, dass das abträglich für meine Konzentration war, jedenfalls vermurkse ich diese komplett. 7 klappt, bei 8 verfahre ich mich an der Ausfahrt, ebenso bei Sektion 9. Das Bachbett nehme ich diesmal im Dritten problemlos. Die Wartezeiten verbringe ich nicht wie vorher auf dem Mopped sitzend, sondern stehe daneben, wegen meiner Zerrung. Die letzte Sektion für Gentlemans braucht diesmal sogar zwei Füße, weil ich den Stein vor Sektionsende zu eng umfahren habe.
Die Experts nehmen noch die 12. Sektion, dann geht es wiederum zur Halle und zum Tausch der Wertungskarten.
Wieder eine kurze Pause und wieder die Erkenntnis, dass ich immer wieder in die Endurotechnik abgedriftet bin. Es ist ein großer Unterschied, ob man beim Üben mehrfach hintereinander die gleiche Stelle befährt und dabei bewußt auf seine Fahrtechnik achtet, oder ob man unter Wettbewerbsbedingungen nur eine Chance hat und jede Menge mehr oder weniger unbekannte Stellen hintereinander abfährt.
Die kurze Pause tut meiner Zerrung gut, fast nicht mehr zu spüren, als wir uns an die dritte und letzte Runde machen. Die erste Sektion fahre ich diesmal besonders schlecht. Ich passiere den kleinen Baumstumpf an der rechten Seite, habe noch weniger Platz für die Kurve und bleibe an einem kleinen Baum hängen. Gleich eine 5 zum Anfang. 2, 3 und 4 klappen wieder mit 0 Punkten, bei der Sektion 5 rutscht mir das Hinterrad bei der Schrägfahrt im Hang weg. Bei der Sektion 9 meint ein anderer Teilnehmer, dass ich die Spur falsch interprediert und deshalb ein Tor von der falschen Seite aus durchfahren hätte. Wieder ne 5, obwohl ich keinen Fuß gesetzt hatte. Der Rest funktioniert wieder.
So ganz zufrieden bin ich nicht mit meinem Ergebnis, allerdings auch nicht gänzlich unzufrieden. 10 fehlerfreie von 33 Sektionen ist m.E. ok für das erste Mal. Wenn das mit der fehlinterpredierten Spur nicht gewesen wäre, dann wäre ein Drittel der Sektionen fehlerfrei. Es gibt noch ordentlich Luft nach oben. Wichtig ist, dass ich den Trial-Schalter im Kopf beim Fahren dauerhaft eingeschaltet bekomme. Ich habe viel gelernt, so manchen wertvollen Tipp bekommen und jede Menge toller Leute kennen gelernt. Und Spaß hat es auch noch gemacht – ich würde sagen: Tagesziel erreicht.
Während andere noch mit den Sektionen beschäftigt sind, sitzen wir für ein erstes Getränk und ein wenig Manöverkritik schon am Tisch. Danach lade ich meine Fantic auf den Hänger und tausche Schutzkleidung gegen Ziviloutfit, Motorrad gegen Kamera. Viele Gespräche mit anderen Teilnehmern und Zaungästen, ein paar Fotos, ein langes Gespräch mit Detlef Hanzig, der mit ein wenig von seiner motorsportlichen Vergangenheit erzählt. Christian Müller und vor allem Peter Holzner haben sich während des ganzen Tages immer wieder erkundigt, ob es mir gefällt und wie ich mit meinen paar Stunden Trainig so zurecht komme.
Nach und nach füllt sich die Infotafel mit den Ergebnissen der einzelnen Läufe. Als die Endergebnisse feststehen, wird nochmals die Reihenfolge der einschiebbaren Streifen auf der Anzeigetafel verändert. Währenddessen werden auf dem Tisch davor schon jede Menge Medallien ausgelegt. Dann beginnt Christian Müller mit der Laudatio, in der er sich bei denen bedankt, die zur Durchführung der Veranstaltung beigetragen haben. Peter Holzner übernimmt die Siegerehrung, bei der alle Beteiligten – ob auf dem Treppchen oder nicht – einen Applaus bekommen. Die ersten drei jeder Klasse bekommen von Christian eine Medallie umgehängt und werden zusammen fotografiert. Auch ich bin darunter mit einem (unverdienten) ersten Platz, den ich aber nicht aufgrund meiner Leistung geschafft habe, sondern vielmehr weil die LuMo-Klasse bei diesem Wettbewerb stark unterrepräsentiert war.
Das Wetter hat über den ganzen Tag super gehalten, jetzt zieht sich der Himmel langsam zu. Zeit für mich, sich zu verabschieden. Bei meinen Teamkollegen, bei den Veranstaltern und bei den anderen Teilnehmern, die ich kennen gelernt habe. Im Nu bin ich auf der Autobahn, die Heimfahrt läuft soweit ganz gut, bei Haar habe ich gerade noch Glück, vor der Sperrung durchzukommen, da wird eine Brücke abgebaut. Eine Drohne schwirrt umher, um die Aktion per Video zu dokumentieren und auch etliche Fotografen stehen auf der nächsten Brücke mit ihren Stativen bereit.
In Esting gehe ich noch kurz das Mopped waschen, die Sonne ist gerade vollständig hinterm Horizont verschwunden, als ich zu Hause ankomme. Alles in allem ein rundum gelungener Tag mit vielen positiven Eindrücken, der nach einer Wiederholung schreit. Nach Rosenheim komme ich gerne wieder!
Weitere Bilder gibt es hier
Das schreibt die Presse über die Veranstaltung:
OVB online