Mittwoch, 12.03.2014 Varful Ciucas

Heute schaffe ich es tatsächlich mal, bis zum Wecker durchzuschlafen. Habe ich den Arbeitsrhytmus abgelegt? Wie immer gehe ich zuerst duschen, dann ein wenig Rumänisch lernen und meine Weiterreise planen.
Als ich Laura in der Küche höre, komme ich dazu und gratuliere ihrer Mutter, die heute Geburtstag hat. Sie bewundert mein rumänisch .. na ja, aber so viel Text hat ja ein Geburtstagsgruß zu Hause auch nicht 😉
Wir frühstücken, dann treibt es uns hinaus in die Sonne, die heute herrlich warm scheint, so dass ich es im T-Shirt aushalte. Eine Hundehütte wird von der Scheune in den Hof umgezogen. Langsam schließen die Wachhunde mit mir Freundschaft, ich darf den Herrn der Hundefamilie sogar streicheln. Dabei verliert er ordentlich Winterfell, weshalb Laura sich entschließt, ihm mit einer Fellbürste die lästige Wolle zu entfernen. Dazu gehen wir in den Garten hinter die Scheune.
Ich habe gestern mit Elisabeth gesprochen und natürlich auch über das Erlebte berichtet. Die Steinplatten, die von den Romas bearbeitet werden, wären vielleicht was für eines unserer Gartenprojekte meint sie, weshalb ich mir überlege, heute nochmals nach Sinaia zu fahren.

Lauras Vater meint, wir sollten erstmal hier im Ort am Fluss schauen, da gibt es solche Steine auch. So ziehe ich die Wanderschuhe an und wir gehen mit dem Hund Gassi, einmal um den Ort herum und dabei ein ganzes Stück am Fluss entlang. Die Wiesen im Dorf werden von den Romas aus dem Nachbardorf vom Müll befreit – dafür gibt es ein wenig Geld. So eine Art ABM-Maßnahme, meint Laura. Alle Menschen, denen wir begegnen grüßen freundlich und manche wechseln auch sonst noch ein paar Worte mit uns.
Am Fluss angekommen, finde ich tatsächlich etliche Kiesel, die eher Platten ähneln. Ich nehme ein paar Muster in der passenden Größe mit. Die werde ich dann fotografieren und Elisabeth zur Begutachtung schicken.
Wir kommen bei der Straße an, die zum Nachbarort führt. Pferdefuhrwerke traben uns entgegen und werden von rasenden Transportern überholt. Auch auf der Hauptstraße ins Dorf ist allerhand Autoverkehr, weshalb ich immer wieder einen Blick nach hinten werfe und zur Seite gehe, wenn ein Fahrzeug naht.
Zurück am Hof überlege ich die weitere Planung für den Tag. Eigentlich würde ich die Familie und das Geburtstagskind gerne zum Essen ausführen, aber die Mama weigert sich standhaft. Von Lauras Vater bekommen wir einen Tipp. Wir sollen zum Muntele Rosu fahren. Laura bietet mir an, mich zu begleiten. So sitzen wir bald im Auto und fahren los.
Eigentlich will ich mir zuerst in Dobruschka das Projekt der Scheytt-Stiftung ansehen. Nachdem Laura meint, wir würden dafür zwei Stunden brauchen, drehe ich um und wir fahren in die Gegenrichtung zum Roten Berg.
Die Straße führt durch ein weiteres Roma-Dorf. Hier scheinen alle Menschen auf der Hauptstraße herumzustehen, trotz des heftigen Schwerlastverkehrs. Laura erzählt, dass die Menschen hier davon leben, Holz im Wald zu sammeln und das weiter zu verkaufen. Das ist auch offensichtlich, denn jede Menge Pferdefuhrwerke befahren die Straße, beladen mit armdicken Holzstangen. Eines fährt vor mir, ich will nicht überholen, weil uns ein weiteres entgegenkommt. Einem LKW hinter mir geht das zu langsam, er hupt mit der Fanfare und will vorbei. Das will ein weiterer LKW auf der Gegenfahrbahn ebenfalls, auch dort ein Fuhrwerk. So bricht er den Überholvorgang ab und reiht sich wieder hinten ein.
Wir fahren eine neue Umfahrung, die mein Navi noch nicht kennt und kommen dann an einem Stausee vorbei. Wenig später kommen wir in einen Wald und die Straße windet sich bergan. Die LKW’s schleppen sich recht langsam dort hoch, auf halber Höhe gibt es einen Parkplatz mit mehreren Quellen, wo die langsamen Platz machen. Ich schaue auf das Armaturenbrett und stelle fest, dass die Tanknadel kurz vor Reserve steht. Gestern war mir das aufgefallen, aber kein Problem, weil ich ja heute eigentlich Richtung Brasov wollte, wo es eine Menge Tankstellen hat. Wir wissen nicht, wie weit es ist, weshalb ich das Navi nach den nächsten Tankstellen frage. 12 km, kein Problem. Wir überqueren den Kamm und nun führt die Straße in engen Serpentinen bergab. Ein Traum für Motorradfahrer, die Geraden zwischen den Kehren legen sich quasi aneinander. Einzig der viele Schwerverkehr bremst die Euphorie ein wenig, denn wenn die sich in der Kehre begegnen, muss einer anhalten, damit sie aneinander vorbei kommen.
Als wir dann an der Fabrik vorbeikommen, wo wir abbiegen sollen, sind es noch 7 Kilometer bis zur Tanke. Ich entscheide mich dafür, erstmal zu tanken und dann zurückzukommen. Wir fahren weiter nach Cheia. Wo das Navi die Tankstelle sieht ist weit und breit keine zu sehen. Nach den Erfahrungen in Ghimbav fahre ich weiter, weiß nicht, wie genau die Routenplanung hier klappt. Irgendwann kommen wir aus der Ortschaft heraus und ich brauche noch fast 2 Kilometer, bis ich einen Platz finde, wo ich wenden kann.
Wieder zurück im Ort sehe ich hinter einem Zaun ein paar Männer. Ich steige aus und frage, wo die nächste Tankstelle ist. Sie deuten in die Richtung, aus der wir gekommen sind. In Brasov. Als ich frage, wie weit es in die andere Richtung bis zur nächsten Tankstelle ist, meint einer: patruzeci kilometri, 40 Kilometer. Nach Brasov seien es 30km. Mein Navi zeigt mir eigentlich mehrere Tankstellen dazwischen an. Na ja, ich denke, sie wissen, was sie sagen.
Als wir weiterfahren, leuchtet die Tankanzeige auf und mir wird ein wenig mulmig. Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich ein Auto leergefahren und das ist lange her. Wir müssen über einen Pass und so richtig einschätzen kann ich nicht, wie viel Spielraum ich noch habe.
Na gut, erstmal fahren wir zurück und biegen bei dem Fabrikgebäude in einen Schotterweg ein. Dort suchen wir einen Standplatz und setzen den Weg zu Fuß fort. 500 Meter später kommen wir an einem Schild vorbei, auf dem angeboten wird, das man sich per 4×4-Fahrzeug abholen lassen kann, 15 Lei kostet das pro Person. Das ist es uns wert. Laura probiert es ein paarmal mit dem Handy unter der Nummer auf dem Schild, hat aber keinen Empfang, weshalb ich ihr mein Handy gebe. Damit klappt es. De Dame am anderen Ende der Leitung meint, wir sollen schon mal losgehen, sie schickt ihren Mann.
Das tun wir dann auch. Die Luft ist kühl, aber herrlich. Wir sinnieren drüber, wie weit es sein könnte und ob es lohnt, abgeholt zu werden. Kurze Zeit später kommt uns ein Jeep entgegen. Wenn der so schnell da ist, dann kann es nur ein Katzensprung sein, philosophieren wir. Doch er fährt an uns vorbei, kann also nicht unserer gewesen sein.
Wir gehen noch ungefähr 2km, bevor unser Taxi kommt. Ein alter Puch, vermutlich von der Armee. Die Ladefläche hat hinten eine Tür und links und rechts eine Sitzbank. Wir steigen ein, dann dreht der Fahrer und fährt bergan. Über die Reifen und durch die Felgenlöcher der Hinterräder ist eine Kette geflochten, die auch nötig ist, wie wir bald feststellen. Er meint, wir würden zu Fuß 2 Stunden einfach brauchen. Der Weg wird immer steiler und matschiger. Ich bin froh, im Auto zu sitzen.
Wir kommen oben an der Hütte an, die sich als ausgewachsenes Hotel entpuppt. Vor der Tür lässt er uns aussteigen, zahlen können wir drinnen. Das Haus betreten wir durch ein riesiges Fass, welches als Tür umfunktioniert und innen mit Kuhfellen verkleidet ist. Alles ist aus Holz, Wildschwein- und Bärenfelle hängen an der Wand, macht einen freundlichen, einladenden Eindruck. Auch die Dame hinter dem Tresen, die uns willkommen heißt. Wir fragen, ob wir etwas zu trinken bekommen – kein Problem, ich bekomme sogar einen schwarzen Tee, während Laura sich für Kaffee entscheidet. Sie fragt die Bedienung, ob es auch etwas zu essen gibt, vielleicht Papanasi – was ebenfalls bejaht wird. So bestellen wir uns jeder eine Portion.
Papanasi

Während die Leckerei zubereitet wird kommen wir mit der Wrtin ins Gespräch, die uns auch gleich anbietet, eine Führung durchs Haus zu machen. Das nehmen wir dankend an und werden auch wirklich durch alle Zimmer geführt. Diese sind hell und sauber, jedes hat einen Balkon und einen herrlichen Blick auf die Bergwelt ringsum. Durch eines der Fenster deutet sie zu einem Berg und erklärt, dass hier ein Skilift entsteht. man sieht auch schon die Fundamente und eine Piste für die Bergfahrt, vermutlich wird das mal ein Schlepplift.
Stolz erzählt sie, dass der Besitzer das alles aus der eigenen Tasche finanziert hat, ganz ohne Schulden. Er hatte mal eine Glasfabrik, die hat er verkauft und dieses Refugium geschaffen, obwohl ihn alle für verrückt halten.
Zurück in der Gaststube stehen die Papanasi schon auf den Tisch. Jeder bekommt zwei – ich hatte vergessen meinen zweiten Vornamen ‚Jumatate‘ anzugeben 😉
Eigentlich wäre ich nach einem schon satt, aber irgendwie kriege ich den anderen auch noch runter. Ich will mir ein BitterLemon bestellen, das hat sie nicht da, meint sie, aber sie macht mir eines. Mit Zitrone, Mineralwasser und Zucker angemischt steht das Getränk alsbald in einer Karaffe vor mir. Den Geschmack von BitterLemon hat es nicht, zu viel Zitrone oder zu wenig Wasser. Schmecken tut es trotzdem, nur meine Zunge mag die viele Säure nicht.
Anschließend gehen wir raus, um ein paar Fotos zu machen. Dabei treffen wir auch auf den Eigentümer, der uns – oder besser Laura – auf rumänisch über sein Projekt erzählt. Es sollen wohl 8 Lifte werden, aber er hat ein Problem mit den Naturschützern, die das Projekt erstmal gestoppt haben. Aus eigener Tasche hat er auch die Straße von unten bis oben, sowie eine Wasserleitung und eine Stromtrasse finanziert. Neben dem Haupthaus steht noch ein Nebengebäude, ebenfalls mit Zimmern für Sommer- oder Wintergäste. Ein paar Planierraupen stehen im Hof, auch ein Pistenbulli mit Peronentransportanhänger, ein LKW und ein paar von den Puch-Allradlern.
Unser Fahrer kommt und meint, wir sollten langsam los, er müsse noch Futter für die Tiere holen. Kein Problem, es ist eh schon spät. Ich gehe nochmal ums Haus und sehe ein paar Spuren, die ich für Bärenabdrücke halte. Dann hole ich den Rucksack aus der Cabana und wir steigen in das Fahrzeug ein. Während wir steil bergab fahren, beantwortet er meine Frage: Sie haben diesen Winter noch keine Bären gesehen, aber deren Spuren rund um die Cabana.
Unten verabschieden wir uns und steigen in den Focus.
Ein Traum für Motorradfahrer meiner Gesinnung: Erstmal Kehrenfahren auf Asphalt, dann Schotter und Erdwege bis hoch zu Cabana und das alles legal.
Die Tankanzeige droht in Orange, als ich den Zündschlüssel umdrehe. Laura ist zuversichtlich, dass es reicht und wenn nicht, dann kann sie ja ihren Vater anrufen, der uns Benzin bringen kann, meint sie. Ich denke eher an die vielen Kehren und dass die Straße schmal und ohne Seitenstreifen ist.
Als es bergauf geht, liegt die Nadel der Tankuhr eigentlich schon etwas unterhalb des roten Bereiches, was meine Bedenken nicht gerade zerstreut. Vor mir ein LKW, der mit 30 km/h hochkriecht, ich im 2. Gang so spritsparend wie möglich hinterher, versuche die Tankuhr mit meinen Blicken zu beschwören. Hilft aber nicht wirklich.
Als wir über den Kamm sind, nehme ich den Gang heraus und rolle im Leerlauf bergab. Die Nadel der Tankuhr bewegt sich ein paar Millimeter nach rechts – es ist also noch ein wenig Leben im Tank. Schnell im Navi nach der nächsten Tanke gesucht: Noch 23 Kilometer. Na ja, wird schon klappen. Als uns der Wald unten ausspuckt wird der LKW vor uns schneller – ich bleibe sicherheitshalber bei spritsparenden 80 km/h, der Abstand vergrößert sich. Endlos erscheint mit die Strecke, bis das Navi die Entferung jeweils um einen weiteren Kilometer herunterzählt. Als wir unter der 10km Grenze sind, geht es in 100m Schritten.
Die Nadel der Tankuhr liegt mittlerweile wieder links außerhalb des roten Bereiches – die Warnlampe leuchtet konstant in Orange, während wir uns quälend langsam der angepeilten Tankstelle nähern. Laura ist eingeschlafen, aber für Kommunikation fehlt mir momentan eh die Konzentration.
Als wir die Umfahrung erreichen ist sie wieder wach und meint, ich soll die nehmen. Da gibt es eine Leitplanke und keine Standspur. Ich folge dem Rat, während das Navi meint, die Tankstelle befindet sich am Ende des Ortes, den wir gerade umfahren. Als ich dort die Umfahrung verlassen will, meint Laura, da sei bestimmt keine Tankstelle. Der Erfahrung von vorhin gemäß vertraue ich ihr. Das verlängert die Strecke aber nochmal um etliche Kilometer. Die nächste Tankstelle in 6km Entfernung. Laura meint, auch die gäbe es nicht. Als wir an der Kreuzung stehen, sehen wir sie in 300m Entfernung, ich darf aber nicht in diese Richtung abbiegen. Du musst en Stück rechts bis zum Kreisverkehr, meint sie, dann können wir zurückfahren. Also gut, dann probieren wir halt. Am Kreisverkehr angekommen, entdecke ich 300m voraus ein Rompetrol-Schild. Dahin ist es näher resümiere ich und fahre geradeaus. Beim Beschleunigen habe ich das Gefühl, dass der Ford nicht mehr richtig Gas annimmt, aber hier könnte ich zur Not hinlaufen.
Wie es halt so ist, die Tanke liegt an der linken Straßenseite, eine doppelte durchgezogene Linie verbietet das Abbiegen, was wegen dem Feierabendverkehr eh kaum möglich wäre. Also noch weitere 400m bis zum nächsten Kreisverkehr, dort unter Rush-hour-Bedingungen umdrehen und dann doch die rettende Ausfahrt im Blick. Braves Auto 😉
Fazit: Mein Tank hat 50 Liter Fassungsvermögen, ich habe 50,4 Liter getankt – der Rest passt wohl in den Einfüllstutzen 😉
Sichtlich erleichtert verlasse ich das Kassenhäuschen und frage Laura, wo man an Blumen kommt. Wenn sich die Mama schon nicht zum Essen ausführen lässt, dann will ich wenigstes eine kleine Aufmerksamkeit mitbringen.
Wir müssen nochmals drehen, dass sehe ich aber – warum wohl – entspannt. Zielgerichtet leitet sie mich zu einem Supermarkt und berät mich zum Blumengeschmack ihrer Mutter.
Wir fahren zurück nach Carpenis, wo ich das Blümchen überreiche und dank Lauras Hilfe wohl tatsächlich den Geschmack des Geburtstagskindes getroffen habe.
Abends gibt es wieder lecker rumänisches Essen: Selbstaufgezogene Pute mit einem Reis-Mais-Gemisch als Beilage.