Jürgen und ich werden gleichzeitig wach. Ich überlasse ihm die Dusche und gehe derweil auf den Balkon. Das Wetter meint es gut, ein strahlend schöner Tag erwartet uns. Nachdem auch ich mit dem Duschen fertig bin, gehe ich hinunter in den Hog. Maren und Marion sitzen mit Kaffeetassen in der Hand auf der Bank vor der Küche. Drinnen wird bereits emsig gewerkelt. Ich sage kurz hallo – die beiden Angestellten freuen sich immer, wenn ich mal wieder da bin. Dann gehe ich zu den Fahrzeugen, wo Jürgen und Rebecca dabei sind, die letzten Arbeiten an Rebeccas Motorrad durchzuführen. Vor zwei Wochen hat ihr der Oliver nach einer Zeichnung von mir zwei Adapter gedreht, die sie braucht, um den großen Acerbis-Tank auf die XT600 zu montieren. Auch die zwei Befestigungsschrauben müssen dazu etwas modifiziert werden.
Oliver hat es gut gemeint und Edelstahlschrauben genommen, leider ein wenig zu lang. Mit der Härte des Materials war Rebecca zu Hause etwas überfordert, weshalb sie den Tank provisorisch mit Spanngurten befestigt hat. Jürgen hat extra eine funkelnagelneue Flex dabei, um die Schrauben anzupassen. Ich helfe ein wenig dazu und dokumentiere das Geschehen wie immer auch mit der Kamera. Bald darauf sitzt der Tank so, wie es sein soll und wir können das Werkzeug einpacken. Nochmal ein dickes Dankeschön an Oliver, der leider keinen Urlaub bekommen hat, sonst wäre er auch mit dabei gewesen.
Das Frühstück erwartet uns bereits. Wie immer liebevoll angerichtet im ehemaligen Pferdestall, wie immer sehr reichlich und lecker. Frische Milch und Hausgemachten Käse von Adams Bruder sind ebenso fester Bestandteil. Roswitha setzt sich dazu, Adam nimmt bereits erste Termine wahr. Viel zu schnell vergeht die Zeit bei den Freunden. Wir haben heute noch einiges vor, weshalb ich ein wenig drängen muss. Wir packen die Autos und rangieren sie aus dem Hof. Ich hole Adam noch kurz aus seiner Schneiderei, so dass wir uns alle verabscheiden können. Wie immer wurden wir herzlich umsorgt – ein kleines Stück vom Paradies liegt in Rumänien. Das haben wir auch mit einem Eintrag ins Gästebuch zum Ausdruck gebracht. Es ist kurz nach 10:00 Uhr, als wir vom Hof rollen.
Die Fahrt geht weiter nach Timișoara, wo wir unser erstes Hilfsprojekt abwickeln. Vor ein paar Wochen kam ein Hilferuf von Frau Wolf, dass ein paar Notebooks endgültig unreparabel sind und damit der Schulbetrieb ins Stocken kommt. Das kann man sich in Deutschland nicht vorstellen. Immerhin gehört das Gymnasium zu den Besten in Rumänien, aber es sind einfach keien Mittel da. Es war nur wenig Zeit, zwischen der Information und der Abfahrt. Immerhin 6 Notebooks kann ich in der kurzen Zeit noch auftreiben.
Weil das alte Schulgebäude endlich saniert wird, wurde die Schule zwischenzeitlich ausgelagert. Ein wenig schade finde ich es für meine Gruppe schon, denn ich hätte ihnen gerne gezeigt, wie unterschiedlich die Ausstattung der Gymnasien in Deutschland und in Rumänien doch ist. Für die Schüler und Lehrer vor Ort freut es mich. Die ausgelagerte Schule hat euin Zuhause in der Niederlassung eines Automobilclubs gefunden, nicht weit von der Hauptstraße weg, die nach Timișoara hineinführt.
Frau Wolf hatte mit am Telefon angeboten, dass wir im Pausenhof die Autos abstellen können – ein weiterer Vorteil gegenüber dem alten Standort, da ist es immer eng, erst recht für zwei Autos mit Anhänger. Maren öffnet das Tor, wir rollen auf den Hof. Der Hausmeister kommt auf mich zu, als ich ihm erkläre, dass ich einen Termin mit Doammna Wolf habe, weiß er Bescheid und zeigt uns den Weg ins Rektorat.
Die Sekretärin empfängt uns, Frau Wolf hat gerade in einem weiteren Schulgebäude noch Unterricht, wird aber kurz per Handy über unsere Ankunft informiert. Für uns gibt es derweil Kaffe, Kaltgetränke und Kekse. Frau Wolf betritt den Raum, gefolgt vom IT-Techniker der Schule. Ich übergebe die Notebooks, der Techniker ist hellauf begeistert, dass aich auch wieder ein paar Dell dabei habe. Die sind einfach die besten meint er, robust und langlebig. In Deutschland würde ich mit den – noch nichtmal 64bit-fähigen Systemen – niemand hinter dem Ofen hervorlocken können.
Wir sitzen noch ein wenig zusammen, ich bitte Frau Wolf, sie möge ein wenig über das Schulsystem in Rumänien erzählen. Das tut sie auch und beantwortet auch bereitwillig die Zwischenfragen von uns. Es ist immer wieder schön für mich, wenn ich meine Mitfahrer für Hilfsprojekte begeistern kann und diese im Gegenzug dafür auch etwas von der Geschichte und Kultur des bereisten Landes mit nach Hause nehmen können.
Wir fragen, ob wir auch mal eine Klasse ansehen dürfen – kein Problem. Als wir das Klassenzimmer betreten, springen alle auf ud begrüßen erst die Frau Wolf und – nachdem sie uns vorgestellt hat – auch uns. Hier wird noch viel Wert auf die Vermittlung von Achtung untereinander gelegt. Es wird gerade Physik unterrichtet, was ich aber nur aufgrund der Erklärung von Frau Wolf und vielleicht noch dem Inhalt der Tafel erkenne. Ein paar Informationen hin und her, dann schellt die Pausenglocke.
Der Junge, der gerade an der Tafel stand, als wir reinkamen, ist sichtbar erleichtert, aber auch sonst löst die Glocke das gleiche Verhalten aus, wie wohl in allen Schulen der Welt – es gibt kein Halten mehr.
Frau Wolf zeigt uns noch weitere Klassenräume, dann verabschieden wir uns. Wir dürfen die Autos stehen lassen, ich will die Gelegenheit nutzen und meiner Gruppe noch kurz ein paar Eckpunkte in Timișoara zeigen. Im Pausenhof stehen einige Mädels und Jungs neugierig um unsere Motorräder, Handys werden gezückt und Selfies gemacht.
Wir laden sie ein, sich dazu auf die Motorräder zu setzen, das trauen sie sich aber doch nicht.
Durch eine Seitengasse gehen wir ins Zentrum. Hier wird seit letztem Jahr viel gebaut. Die einst sehr holprig gepflasterten Straßen und Plätze weden aufgegraben, Strom- Wasser- und Abwasserleitungen ersetzt und das Ganze dann neu gepflastert. Den Piața Uniri (Platz der Vereinigung) mit dem Dom und der Dreifaltigkeitssäule überqueren wir im Zickzack, müssen immer wieder Baugruben oder Pflasterarbeiten umgehen, bis wir dann schließlich am Teatrul Național și Opera Română (Nationaltheater und Opernhaus) ankommen. Von hier aus schlendern wir über den Piața Victoriei (Siegesplatz) hin zur Catedrala Mitropolitană, die wir auch kurz besichtigen. Ich versuche mich als Stadführer, die Hintergrundinformation fällt aber deutlich geringer aus als bei den Profis. Dennoch hoffe ich darauf, mein Team mit der Kultur nicht zu langweilen.
Auf dem Rückweg schlage ich einen kleinen Haken zum Piața 700, der ein wenig dem Viktualienmarkt in München ähnelt. Ein wenig Obst wechselt den Besitzer, bevor wir durch den Blumenmarkt den Rückweg antreten. Dieser führt uns dann durch eine Straße, in der an den Wänden Kunstobjekte hängen. Bilder, die aus tausenden verschiedenfarbigen Verschlüssen von Getränkeflaschen bestehen.
Der Sinn dieser Ausstellung ist es, die Menschen für die Müllvermeidung zu sensibilisieren.
Bei der Schule gibts einen kleinen Imbiss im Stehen, dann reiten wir los .. Es ist 13:30 Uhr, wir sind gutgelaunt und so manche Information über die vergangenen Stunden wird während der Fahrt über Funk ausgetauscht. Wenn es etwas wissenswertes zu sehen gibt, dann wird das von Maren oder mir ebenfalls an das andere Auto kommuniziert. Vorbei am Flughafen fahren wir nach Lugoj. Die Stadt umfahren wir und gelangen so auf ein fertiggestelltes Teilstück der Autobahn, die irgendwann mal von Arad bis Bukarest führen wird. Bis Făget können wir auf der neuen Bahn etwas Strecke machen, dann müssen wir runter, was uns aber nicht wirklich stört. Ab hier geht es kurvig und hügelig über das Ruscă-Gebirge.
Am Ortsausgang fahren wir an einer DC-3 vorbei, die hier jemand in seinen Vorgarten gestellt hat. Ich bin hier ja schon öfter vorbei gekommen, für den Rest des Teams war der Anblick Grund genug für einen (Foto) Stop. Nach meinen bisherigen Recherchen sollte darin ein Restaurant eingerichtet werden. Früher war es mit einem Coca-Cola Schriftzug beklebt, der ist mittlerweile wieder weg. Die Besitzter habe ich bisher nie angetroffen, um nachzufragen.
Zwischendurch machen wir eine Rast an einem Straßenrestaurant, um unsere Mittagspause nachzuholen. Wir setzen uns draußen auf die Terrasse. Das Gebäude selbst sieht schon etwas abgewohnt aus, die Küche ist aber sauber und das Essen schmeckt wirklich lecker. Maren probiert eine Ciorba de burtă, eine Art Kuttelsuppe, Hier in Rumänien vergleichbar beliebt mit der Flädlesuppe bei ihr zu Hause, für den deutschen Geschmack aber eher polarisierend. Ihr jedenfalls hat sie gut geschmeckt.
Ein paar Straßenhunde nähern sich dem Restaurant in der Hoffnung auf einen Happen. Ich nehme ein Stück Brot und setze mich auf die Treppe. Marion meint, eine Bekannte von ihr hätte ihr dringend abgeraten, Straßenhunde anzufassen. Eine gute Gelegenheit, die Theorie und die Praxis aufeinander abzustimmen. Ich setze mich auf die Treppe, warte, bis der Hund auf mich zukommt. Mit einer langsamen Bewegung halte ich ihm ein Stück Brot hin, was er dann auch zögernd direkt aus meiner Hand nimmt. Würde ich das mit einer schnellen Bewegung machen, dann würde er davonlaufen. Die Straßenhunde hier sind ziemlich eingeschüchtert. Ich wiederhole das, bis das Brot weg ist. Dann lässt sich der Hund sogar von mir streicheln. Marion nimmt auch ein Stück Brot und wirft es den Hunden in kleinen Happen vor. Ein guter Anfang.
Weiter gehts dann frisch gestärkt. Kurz vor Horea können wir wieder ein Stück Autobahn nutzen. Dafür müssen wir eine Kehrtwende am Ende einer zweispurigen Straße machen. Wir überqueren einen Fluß und schon rollen wir auf die Autobahnauffahrt. Orastie habe ich früher auf der DN7 durchquert, heute lassen wir es rechts liegen. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis Sebeș. Laut Karte müssen wir kurz vor Sebeș runter, da gibt es aber keine Abfahrt. Wenn wir eh schon fast bis Sebeș fahren, dann können wir auch gleich tanken, beschließe ich. Gesagt, getan. Jürgen und ich füllen sowohl die Autos, als auch gleich alle Motorräder bis zum Rand. Dann fahren wir zurück, überqueren die Autobahn und folgen der DN7 bis Sibiseni. Hier finden wir einen Wegweiser nach Piano de Jos. Von da sind es nur noch wenige Kilometer bis Piano de Sus. Mein Navi findet zwar die richtige Straße, aber führt uns bis ganz ans Ende, die Hausnummern stimmen nicht überein. An sich sollte man die Unterkunft auch gut sehen, so wie es sich auf dem Bild der Buchungsbestätigung präsentiert hat. Ein LKW blockiert die enge Straße so, dass man da aufpassen muss, beim Passieren nicht in den Graben zu kommen. Genau gegenüber des Lasters befindet sich ein braun gestrichener Blechzaun mit einem Eisentor und der passenden Hausnummer. Ich gehe rein, der Besitzer kommt direkt auf mich zu und erklärt mir, dass ich nochmal umdrehen und ein Stück weiter in eine Seitenstraße abbiegen muß. Das Grudstück wird von hinten angefahren, dort gibt es auch Parkplätze. Wir drehen in Ortsmitte und folgen den Anweisungen, dann öfnnet sich ein Tor und gibt den Blick auf unserer Unterkunft und den geschotterten Parkplatz frei.
Wir fahren rein und laden zuerst die Motorräder ab, damit wir die Hänger neben den Autos parken können. Dann gehen wir mit unserem Gepäck an einem großen Pool und einer Art Biergarten vorbei zur Rezeption. Es ist kurz vor halb Acht, wir werden zuerst gefragt, ob wir essen wollen und was. Dann zeigt uns die Dame des Hauses die Zimmer. Die Mädels haben eine Suite mit zwei Zimmern und einem Bad, der Wohnzimmerschrank ist vollgestellt mit Porzellan und Nippes. Jürgen und ich haben ein geräumiges Einraumzimmer mit Bad und einen Balkon. Wir machen uns kurz frisch, dann gehen wir zum Abendessen.
Der Essensraum befindet sich in einem aus Ziegeln gemauerten Kellergewölbe. Wie wir später erfahren, war dies der ehemalige Knast, oben drüber befand sich die Polizeistation. Das Hotel wurde später da dran gebaut. Der Tisch ist mit rumänischen Läufern belegt und liebevoll eingedeckt. Zwei 1/4 Liter Karaffen stehen auf dem Tisch. In einer ist eine durchsichtige Flüssigkeit, im Anderen eine dunkelrote. Das eine ist Ţuică, das Andere ein Likör auf Ţuică-Basis, erklärt uns der Wirt. Das ist ein kostenloser Willkommensgruß des Hauses. Auch an den folgenden Tagen wird ein halber Liter Hochprozentiges kostenlos auf dem Tisch stehen. Vorhin, bei der Bestellung habe ich gesagt, dass wir rumänische Hausmannskost bevorzugen. Nun kommen die Köstlichkeiten aus der gegenüber dem Haus liegenden Küche: Ciorbă de perișoare (Fleischbällchensuppe) mit Smântână (Sauerrahm), șnițel (paniertes Schnitzel) und Salată de varză (Krautsalat) mein absoluter Salat-Favorit in Rumänien. Dazu Unmengen an Cartofii prăjiți (Pommes). Ich bin ja eher der Wenigesser, aber auch meine Gefährten kämpfen mit der Menge an leckeren Gaumenfreuden, der Ţuică soll es richten – meint zumindest der Herbergsvater. Wir schaffen es nicht, die Teller leer zu kriegen. Als man uns einen Nachtisch anbietet, lehnen wir ab und bestellen noch eine Flasche Wein.
Dann meint Marion, ein wenig Käse wäre vielleicht doch nicht schlecht. Ich kommuniziere das an den Wirt. Der freut sich sichtlich, dass es uns so schmeckt, denn die Grundlagen stammen von seinem Acker, bzw. hier aus dem Dorf. Er ruft seiner Frau zu, dass sie eine Käseplatte machen soll (ich habe das genau gehört). Was dann kommt, ist unbeschreiblich: Eine Holzplatte, einen halben Meter lang und 30cm breit, voll mit Käse, Tomaten, Gurken, Schinken, cârnaţii afumaţi (geräucherte Würste), Slanina (Speck) und roten Tomaten. Boooah… Wer soll das essen.
Na ja, ein paar Bierchen, bzw. Gläser Wein bzw. Cola später war dfer Großteil der Platte verputzt. Als ob der Pflaumenschnaps nicht schon genug wäre, holt Marion noch einen selbstgebrannten Chilischnaps zur Verkostung. Es wir noch ein langer Abend, wir haben viel Spaß zusammen, lassen aber auch das bisher erlebte Revue passieren. Ich glaube, ich hatte diesmal ein glückliches Händchen mit der Zusammenstellung der Gruppe.
Es ist schon weit-weit nach Mitternacht, als wir uns in die Zimmer zurückziehen. Jürgen schläft sofort ein und auch ich bin todmüde und muss mich wirklich zwingen, den Tagebucheintrag hier zu schreiben.
Ein weiteres Tagebuch über die Tour findest Du hier – klick –
15 Mai 2015
Freitag, 15.05.2015 Biled – Timisoara – Pianu de Sus
Jürgen und ich werden gleichzeitig wach. Ich überlasse ihm die Dusche und gehe derweil auf den Balkon. Das Wetter meint es gut, ein strahlend schöner Tag erwartet uns. Nachdem auch ich mit dem Duschen fertig bin, gehe ich hinunter in den Hog. Maren und Marion sitzen mit Kaffeetassen in der Hand auf der Bank vor der Küche. Drinnen wird bereits emsig gewerkelt. Ich sage kurz hallo – die beiden Angestellten freuen sich immer, wenn ich mal wieder da bin. Dann gehe ich zu den Fahrzeugen, wo Jürgen und Rebecca dabei sind, die letzten Arbeiten an Rebeccas Motorrad durchzuführen. Vor zwei Wochen hat ihr der Oliver nach einer Zeichnung von mir zwei Adapter gedreht, die sie braucht, um den großen Acerbis-Tank auf die XT600 zu montieren. Auch die zwei Befestigungsschrauben müssen dazu etwas modifiziert werden.
Oliver hat es gut gemeint und Edelstahlschrauben genommen, leider ein wenig zu lang. Mit der Härte des Materials war Rebecca zu Hause etwas überfordert, weshalb sie den Tank provisorisch mit Spanngurten befestigt hat. Jürgen hat extra eine funkelnagelneue Flex dabei, um die Schrauben anzupassen. Ich helfe ein wenig dazu und dokumentiere das Geschehen wie immer auch mit der Kamera. Bald darauf sitzt der Tank so, wie es sein soll und wir können das Werkzeug einpacken. Nochmal ein dickes Dankeschön an Oliver, der leider keinen Urlaub bekommen hat, sonst wäre er auch mit dabei gewesen.
Das Frühstück erwartet uns bereits. Wie immer liebevoll angerichtet im ehemaligen Pferdestall, wie immer sehr reichlich und lecker. Frische Milch und Hausgemachten Käse von Adams Bruder sind ebenso fester Bestandteil. Roswitha setzt sich dazu, Adam nimmt bereits erste Termine wahr. Viel zu schnell vergeht die Zeit bei den Freunden. Wir haben heute noch einiges vor, weshalb ich ein wenig drängen muss. Wir packen die Autos und rangieren sie aus dem Hof. Ich hole Adam noch kurz aus seiner Schneiderei, so dass wir uns alle verabscheiden können. Wie immer wurden wir herzlich umsorgt – ein kleines Stück vom Paradies liegt in Rumänien. Das haben wir auch mit einem Eintrag ins Gästebuch zum Ausdruck gebracht. Es ist kurz nach 10:00 Uhr, als wir vom Hof rollen.
Die Fahrt geht weiter nach Timișoara, wo wir unser erstes Hilfsprojekt abwickeln. Vor ein paar Wochen kam ein Hilferuf von Frau Wolf, dass ein paar Notebooks endgültig unreparabel sind und damit der Schulbetrieb ins Stocken kommt. Das kann man sich in Deutschland nicht vorstellen. Immerhin gehört das Gymnasium zu den Besten in Rumänien, aber es sind einfach keien Mittel da. Es war nur wenig Zeit, zwischen der Information und der Abfahrt. Immerhin 6 Notebooks kann ich in der kurzen Zeit noch auftreiben.
Weil das alte Schulgebäude endlich saniert wird, wurde die Schule zwischenzeitlich ausgelagert. Ein wenig schade finde ich es für meine Gruppe schon, denn ich hätte ihnen gerne gezeigt, wie unterschiedlich die Ausstattung der Gymnasien in Deutschland und in Rumänien doch ist. Für die Schüler und Lehrer vor Ort freut es mich. Die ausgelagerte Schule hat euin Zuhause in der Niederlassung eines Automobilclubs gefunden, nicht weit von der Hauptstraße weg, die nach Timișoara hineinführt.
Frau Wolf hatte mit am Telefon angeboten, dass wir im Pausenhof die Autos abstellen können – ein weiterer Vorteil gegenüber dem alten Standort, da ist es immer eng, erst recht für zwei Autos mit Anhänger. Maren öffnet das Tor, wir rollen auf den Hof. Der Hausmeister kommt auf mich zu, als ich ihm erkläre, dass ich einen Termin mit Doammna Wolf habe, weiß er Bescheid und zeigt uns den Weg ins Rektorat.
Die Sekretärin empfängt uns, Frau Wolf hat gerade in einem weiteren Schulgebäude noch Unterricht, wird aber kurz per Handy über unsere Ankunft informiert. Für uns gibt es derweil Kaffe, Kaltgetränke und Kekse. Frau Wolf betritt den Raum, gefolgt vom IT-Techniker der Schule. Ich übergebe die Notebooks, der Techniker ist hellauf begeistert, dass aich auch wieder ein paar Dell dabei habe. Die sind einfach die besten meint er, robust und langlebig. In Deutschland würde ich mit den – noch nichtmal 64bit-fähigen Systemen – niemand hinter dem Ofen hervorlocken können.
Wir sitzen noch ein wenig zusammen, ich bitte Frau Wolf, sie möge ein wenig über das Schulsystem in Rumänien erzählen. Das tut sie auch und beantwortet auch bereitwillig die Zwischenfragen von uns. Es ist immer wieder schön für mich, wenn ich meine Mitfahrer für Hilfsprojekte begeistern kann und diese im Gegenzug dafür auch etwas von der Geschichte und Kultur des bereisten Landes mit nach Hause nehmen können.
Wir fragen, ob wir auch mal eine Klasse ansehen dürfen – kein Problem. Als wir das Klassenzimmer betreten, springen alle auf ud begrüßen erst die Frau Wolf und – nachdem sie uns vorgestellt hat – auch uns. Hier wird noch viel Wert auf die Vermittlung von Achtung untereinander gelegt. Es wird gerade Physik unterrichtet, was ich aber nur aufgrund der Erklärung von Frau Wolf und vielleicht noch dem Inhalt der Tafel erkenne. Ein paar Informationen hin und her, dann schellt die Pausenglocke.
Der Junge, der gerade an der Tafel stand, als wir reinkamen, ist sichtbar erleichtert, aber auch sonst löst die Glocke das gleiche Verhalten aus, wie wohl in allen Schulen der Welt – es gibt kein Halten mehr.
Frau Wolf zeigt uns noch weitere Klassenräume, dann verabschieden wir uns. Wir dürfen die Autos stehen lassen, ich will die Gelegenheit nutzen und meiner Gruppe noch kurz ein paar Eckpunkte in Timișoara zeigen. Im Pausenhof stehen einige Mädels und Jungs neugierig um unsere Motorräder, Handys werden gezückt und Selfies gemacht.
Wir laden sie ein, sich dazu auf die Motorräder zu setzen, das trauen sie sich aber doch nicht.
Durch eine Seitengasse gehen wir ins Zentrum. Hier wird seit letztem Jahr viel gebaut. Die einst sehr holprig gepflasterten Straßen und Plätze weden aufgegraben, Strom- Wasser- und Abwasserleitungen ersetzt und das Ganze dann neu gepflastert. Den Piața Uniri (Platz der Vereinigung) mit dem Dom und der Dreifaltigkeitssäule überqueren wir im Zickzack, müssen immer wieder Baugruben oder Pflasterarbeiten umgehen, bis wir dann schließlich am Teatrul Național și Opera Română (Nationaltheater und Opernhaus) ankommen. Von hier aus schlendern wir über den Piața Victoriei (Siegesplatz) hin zur Catedrala Mitropolitană, die wir auch kurz besichtigen. Ich versuche mich als Stadführer, die Hintergrundinformation fällt aber deutlich geringer aus als bei den Profis. Dennoch hoffe ich darauf, mein Team mit der Kultur nicht zu langweilen.
Auf dem Rückweg schlage ich einen kleinen Haken zum Piața 700, der ein wenig dem Viktualienmarkt in München ähnelt. Ein wenig Obst wechselt den Besitzer, bevor wir durch den Blumenmarkt den Rückweg antreten. Dieser führt uns dann durch eine Straße, in der an den Wänden Kunstobjekte hängen. Bilder, die aus tausenden verschiedenfarbigen Verschlüssen von Getränkeflaschen bestehen.
Der Sinn dieser Ausstellung ist es, die Menschen für die Müllvermeidung zu sensibilisieren.
Bei der Schule gibts einen kleinen Imbiss im Stehen, dann reiten wir los .. Es ist 13:30 Uhr, wir sind gutgelaunt und so manche Information über die vergangenen Stunden wird während der Fahrt über Funk ausgetauscht. Wenn es etwas wissenswertes zu sehen gibt, dann wird das von Maren oder mir ebenfalls an das andere Auto kommuniziert. Vorbei am Flughafen fahren wir nach Lugoj. Die Stadt umfahren wir und gelangen so auf ein fertiggestelltes Teilstück der Autobahn, die irgendwann mal von Arad bis Bukarest führen wird. Bis Făget können wir auf der neuen Bahn etwas Strecke machen, dann müssen wir runter, was uns aber nicht wirklich stört. Ab hier geht es kurvig und hügelig über das Ruscă-Gebirge.
Am Ortsausgang fahren wir an einer DC-3 vorbei, die hier jemand in seinen Vorgarten gestellt hat. Ich bin hier ja schon öfter vorbei gekommen, für den Rest des Teams war der Anblick Grund genug für einen (Foto) Stop. Nach meinen bisherigen Recherchen sollte darin ein Restaurant eingerichtet werden. Früher war es mit einem Coca-Cola Schriftzug beklebt, der ist mittlerweile wieder weg. Die Besitzter habe ich bisher nie angetroffen, um nachzufragen.
Zwischendurch machen wir eine Rast an einem Straßenrestaurant, um unsere Mittagspause nachzuholen. Wir setzen uns draußen auf die Terrasse. Das Gebäude selbst sieht schon etwas abgewohnt aus, die Küche ist aber sauber und das Essen schmeckt wirklich lecker. Maren probiert eine Ciorba de burtă, eine Art Kuttelsuppe, Hier in Rumänien vergleichbar beliebt mit der Flädlesuppe bei ihr zu Hause, für den deutschen Geschmack aber eher polarisierend. Ihr jedenfalls hat sie gut geschmeckt.
Ein paar Straßenhunde nähern sich dem Restaurant in der Hoffnung auf einen Happen. Ich nehme ein Stück Brot und setze mich auf die Treppe. Marion meint, eine Bekannte von ihr hätte ihr dringend abgeraten, Straßenhunde anzufassen. Eine gute Gelegenheit, die Theorie und die Praxis aufeinander abzustimmen. Ich setze mich auf die Treppe, warte, bis der Hund auf mich zukommt. Mit einer langsamen Bewegung halte ich ihm ein Stück Brot hin, was er dann auch zögernd direkt aus meiner Hand nimmt. Würde ich das mit einer schnellen Bewegung machen, dann würde er davonlaufen. Die Straßenhunde hier sind ziemlich eingeschüchtert. Ich wiederhole das, bis das Brot weg ist. Dann lässt sich der Hund sogar von mir streicheln. Marion nimmt auch ein Stück Brot und wirft es den Hunden in kleinen Happen vor. Ein guter Anfang.
Weiter gehts dann frisch gestärkt. Kurz vor Horea können wir wieder ein Stück Autobahn nutzen. Dafür müssen wir eine Kehrtwende am Ende einer zweispurigen Straße machen. Wir überqueren einen Fluß und schon rollen wir auf die Autobahnauffahrt. Orastie habe ich früher auf der DN7 durchquert, heute lassen wir es rechts liegen. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis Sebeș. Laut Karte müssen wir kurz vor Sebeș runter, da gibt es aber keine Abfahrt. Wenn wir eh schon fast bis Sebeș fahren, dann können wir auch gleich tanken, beschließe ich. Gesagt, getan. Jürgen und ich füllen sowohl die Autos, als auch gleich alle Motorräder bis zum Rand. Dann fahren wir zurück, überqueren die Autobahn und folgen der DN7 bis Sibiseni. Hier finden wir einen Wegweiser nach Piano de Jos. Von da sind es nur noch wenige Kilometer bis Piano de Sus. Mein Navi findet zwar die richtige Straße, aber führt uns bis ganz ans Ende, die Hausnummern stimmen nicht überein. An sich sollte man die Unterkunft auch gut sehen, so wie es sich auf dem Bild der Buchungsbestätigung präsentiert hat. Ein LKW blockiert die enge Straße so, dass man da aufpassen muss, beim Passieren nicht in den Graben zu kommen. Genau gegenüber des Lasters befindet sich ein braun gestrichener Blechzaun mit einem Eisentor und der passenden Hausnummer. Ich gehe rein, der Besitzer kommt direkt auf mich zu und erklärt mir, dass ich nochmal umdrehen und ein Stück weiter in eine Seitenstraße abbiegen muß. Das Grudstück wird von hinten angefahren, dort gibt es auch Parkplätze. Wir drehen in Ortsmitte und folgen den Anweisungen, dann öfnnet sich ein Tor und gibt den Blick auf unserer Unterkunft und den geschotterten Parkplatz frei.
Wir fahren rein und laden zuerst die Motorräder ab, damit wir die Hänger neben den Autos parken können. Dann gehen wir mit unserem Gepäck an einem großen Pool und einer Art Biergarten vorbei zur Rezeption. Es ist kurz vor halb Acht, wir werden zuerst gefragt, ob wir essen wollen und was. Dann zeigt uns die Dame des Hauses die Zimmer. Die Mädels haben eine Suite mit zwei Zimmern und einem Bad, der Wohnzimmerschrank ist vollgestellt mit Porzellan und Nippes. Jürgen und ich haben ein geräumiges Einraumzimmer mit Bad und einen Balkon. Wir machen uns kurz frisch, dann gehen wir zum Abendessen.
Der Essensraum befindet sich in einem aus Ziegeln gemauerten Kellergewölbe. Wie wir später erfahren, war dies der ehemalige Knast, oben drüber befand sich die Polizeistation. Das Hotel wurde später da dran gebaut. Der Tisch ist mit rumänischen Läufern belegt und liebevoll eingedeckt. Zwei 1/4 Liter Karaffen stehen auf dem Tisch. In einer ist eine durchsichtige Flüssigkeit, im Anderen eine dunkelrote. Das eine ist Ţuică, das Andere ein Likör auf Ţuică-Basis, erklärt uns der Wirt. Das ist ein kostenloser Willkommensgruß des Hauses. Auch an den folgenden Tagen wird ein halber Liter Hochprozentiges kostenlos auf dem Tisch stehen. Vorhin, bei der Bestellung habe ich gesagt, dass wir rumänische Hausmannskost bevorzugen. Nun kommen die Köstlichkeiten aus der gegenüber dem Haus liegenden Küche: Ciorbă de perișoare (Fleischbällchensuppe) mit Smântână (Sauerrahm), șnițel (paniertes Schnitzel) und Salată de varză (Krautsalat) mein absoluter Salat-Favorit in Rumänien. Dazu Unmengen an Cartofii prăjiți (Pommes). Ich bin ja eher der Wenigesser, aber auch meine Gefährten kämpfen mit der Menge an leckeren Gaumenfreuden, der Ţuică soll es richten – meint zumindest der Herbergsvater. Wir schaffen es nicht, die Teller leer zu kriegen. Als man uns einen Nachtisch anbietet, lehnen wir ab und bestellen noch eine Flasche Wein.
Dann meint Marion, ein wenig Käse wäre vielleicht doch nicht schlecht. Ich kommuniziere das an den Wirt. Der freut sich sichtlich, dass es uns so schmeckt, denn die Grundlagen stammen von seinem Acker, bzw. hier aus dem Dorf. Er ruft seiner Frau zu, dass sie eine Käseplatte machen soll (ich habe das genau gehört). Was dann kommt, ist unbeschreiblich: Eine Holzplatte, einen halben Meter lang und 30cm breit, voll mit Käse, Tomaten, Gurken, Schinken, cârnaţii afumaţi (geräucherte Würste), Slanina (Speck) und roten Tomaten. Boooah… Wer soll das essen.
Na ja, ein paar Bierchen, bzw. Gläser Wein bzw. Cola später war dfer Großteil der Platte verputzt. Als ob der Pflaumenschnaps nicht schon genug wäre, holt Marion noch einen selbstgebrannten Chilischnaps zur Verkostung. Es wir noch ein langer Abend, wir haben viel Spaß zusammen, lassen aber auch das bisher erlebte Revue passieren. Ich glaube, ich hatte diesmal ein glückliches Händchen mit der Zusammenstellung der Gruppe.
Es ist schon weit-weit nach Mitternacht, als wir uns in die Zimmer zurückziehen. Jürgen schläft sofort ein und auch ich bin todmüde und muss mich wirklich zwingen, den Tagebucheintrag hier zu schreiben.
Ein weiteres Tagebuch über die Tour findest Du hier – klick –