97’er Section Restaurierung und Rollout

Prolog

Corona hat die Welt noch immer fest im Griff. So fanden schon 2020 kaum Veranstaltungen statt und auch im neuen Jahr sind die ersten Veranstaltungen schon abgesagt. Selbst die Sportstätten waren aufgrund der Situation teilweise geschlossen.

Wenn man schon nicht fahren kann, dann bleibt noch immer das Schrauben. Ich habe noch eine Fantic Section, Modelljahr 1997, also das letzte Trialmotorrad, das in Barzago in Serie hergestellt wurde. Eigentlich war das Unternehmen 1984 bereits pleite, durch Erfolge im Trialsport und dem Weltmeistertitel in 1985, 1986 und 1988 fanden sich dann doch Geldgeber, im die Produktion weiter zu führen.
Tommy Ahvala erreicht 1995 einen zweiten und 1996 den dritten Platz bei der Trial WM.
Doch trotz der Erfolge kann Fantic den Vorteil nicht nutzen, andere Anbieter (Aprilia, Beta, GasGas) gewinnen immer mehr Marktanteile und bauen dann letztendlich modernere Motorräder, während die Entwicklung bei Fantic eher konservativ aufgestellt bleibt.

Ich weiß nicht, was mich an den Fantics fasziniert und weshalb ich mich richtig gefreut habe, als ich eines der letzten Modelle sehr günstig erstehen konnte. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: Das Mopped restaurieren und schauen, ob es tatsächlich einen Unterschied zu meiner 95’er Section gibt.
Die Unterschiede sind auch nicht gerade extrem: Alurahmen statt dem gekanteten Blechrahmen, steilerer Lenkwinkel, 38mm Paioli-Gabel anstatt der 40mm Marzocci, verlängerter Krümmer, anderer Luftfilterkasten. Motor, Antrieb etc. bleibt unverändert.

Ist-Zustand

Die Bestandsaufnahme ist schon mal ganz gut: Zwar fehlt der halbe Kabelbaum, der Frontscheinwerfer samt Lampenmaske, die Schalterarmatur, der Seitenständer, der Ansaugstutzen ist extrem rissig, die Reifen ebenso, der Choke-Hebel abgebrochen, ein hoher Lenker montiert … aber die Grundsubstanz ist gut. Ein Alu-Kickstarter, ein Alu-Schalthebel ist vorhanden, die Verkleidungsteile sind neuwertig, der Rest der Plastics in einem brauchbaren Zustand. Der Auspuff ist ebenfalls komplett bis auf die Abdeckung des Vorschalldämpfers, die aber überall fehlt. Ebenso positiv: Vorne ist eine Vierkolbenbremse verbaut.

Motor und Gemischaufbereitung

Los geht’s. Erstmal den Motor raus. Das Getriebe ließ sich gut schalten, deshalb bleibt der Rumpfmotor ungeöffnet. Ob die Kupplung erneuert werden muss, werde ich nach den ersten Fahrten entscheiden. Den Zylinderkopf nehme ich ab, um das Spiel des Pleuellagers zu prüfen. Das sieht gut aus. Die Lauffläche ist ziemlich glatt, die Kolbenringe sind noch brauchbar, aber nicht mehr wirklich gut.
So wird die Lauffläche gehohnt und der Kolben bekommt neue Ringe und ein neues Lager für den Kolbenbolzen.
Einen besseren Ansaugstutzen habe ich leider nicht, deshalb rauhe ich die Oberfläche auf, reinige sie mit Silikonentferner und trage eine Schicht Karrosseiekleber auf, um den Stutzen abzudichten.
Der Vergaser bekommt eine Ultraschall-Wellness und den Abschluss macht ein neuer Schaumstoff für den Luftfilter.

Plastics

Die Plastikteile säubere ich gründlich und bereite sie mit Kunststoffpflege auf. als ich den defekten Tacho ausbaue, läuft plötzlich Benzin aus dem Tank. Einer der Vorbesitzer hat hier zu lange Schrauben verwendet und so bis in den Tank ‚durchgestochen‘. Ich habe noch einen guten Tank von Lee im Regal, die beiden wechseln ihren Platz.
Einen neuen Tacho hatte ich mir vor längerer Zeit für die 95’er Section gekauft und dann doch stattdessen einen Fahrradtacho montiert, weil der auch die Uhrzeit anzeigt. Da die 97’er Section zugelassen werden soll, baue ich den Originaltacho nun hier ein.
Eine rote Lampenmaske bekomme ich von Lee. Ich finde, die passt besser zum Mopped als eine schwarze, die 97er Section wurde wohl mit beiden ausgeliefert – was halt noch im Lager war.
Die vordere Bremsscheibenabdeckung ist ziemlich ausgebleicht, die hintere ein wenig angeschmolzen. Die vordere bereite ich so gut es geht auf – wenn ich Wettbewerbe fahren will, muss ich sie eh gegen eine vollständig geschlossene tauschen. Die hintere besorge ich neu aus Frankreich. Es muss auch der Tachogeber repariert werden, aber hier habe ich einen neuen mit dem Tacho bekommen, so dass ich einfach gegen den neuen tausche. Mehr ist erstmal nicht zu tun.

 Bremsen

Kommen wir zu den Bremsen. Vorne hat einer der Vorbersitzer bereits auf eine Vierkolbenbremse umgebaut – das habe ich bei meinen anderen Trialern auch gemacht, somit kommt mir das sehr entgegen. Allerdings bremst sie sehr schlecht, zum Blockieren bekomme ich sie gar nicht.
Also baue ich sie erstmal ab, zerlege sie und mache die Bremskolben leichtgängig. Die Bremsbeläge fase ich noch ein wenig an und plane sie mit Schleifpapier auf einem ebenen Block aufgespannt. Dann baue ich alles wieder zusammen und – voila – die Bremse funktioniert. Eventuell werde ich die Bremspumpe noch gegen eine moderne tauschen, die Wirkung ist einfach besser. Die Bremspumpe ließ sich auch nicht festziehen, hier konnte ich mit einer neuen Schraube ganz einfach Abhilfe schaffen. Neue Bremsflüssigkeit gehört bei mir zum Standard bei einer Revision.

Die hintere Bremse funktioniert soweit ganz gut, aber die Scheibe hat tiefe Riefen. Weil die Fantic durch den TÜV soll, bestelle ich eine neue in Spanien und wechsle diese auch noch aus.

Kupplung

Die Kupplung funktionierte soweit gut, so dass ich es bei einem Wechsel der Flüssigkeit belasse. Auch hier werde ich aber noch die Pumpe wechseln, denn die Armatur hat den Abgang seitlich und das stört dabei, die Armatur so weit wie möglich in Richtung Lenkermitte zu schieben, um die Hebelwirkung so weit es geht, zu vergrößern.
Was ich aber noch geändert habe: Das Lager der Kupplung baue ich auf ein Nadellager um. Das habe ich mal bei einem Interview mit Tommy Ahvala gelesen, dass er durch diese Modifikation seine Kupplung gefühlvoll bekommen hat.

Antrieb

Ritzel und Kettenrad sehen noch gut aus, so dass ich es bei einer Reinigung belasse. Bei der 95’er Section habe ich ein größeres Kettenblatt verbaut, hier will ich erstmal testen, ob ich mittlerweile mit der originalen Übersetzung zurecht komme (auch wegen der Zulassung). Aus einem Stück Carbonplatte fräse ich eine Abdeckung, damit die Löcher im Kettenblatt wettbewerbsgerecht abgedeckt sind. Der Kettenspanner ist noch gut genug, den belege ich bei Bedarf selber mit einem Gleitkunststoff. Eine neue Kette schließt die Arbeiten am Antriebsstrang ab.
Um Wettbewerbe fahren zu können, muss noch eine Finne angebracht werden, Hier muss ich mir noch eine Lösung überlegen, wie ich diese an der Schwinge montieren kann.

Reifen

Die Reifen mache ich grundsätzlich neu, wenn sie älter als 4-5 Jahre oder abgefahren sind. Hier brauche ich das aber gar nicht prüfen, denn sie sind rissig. Deshalb kommt ein Satz frischer Michelin Trial Competition auf die Felgen. Hinten schlauchlos und vorne natürlich mit frischem Schlauch und Reifenhalter.

Lenker und Armaturen

Der Lenker ist neuwertig, aber für mich zu hoch. Normalerweise wechsle ich den Lenker, wenn ich nicht weiß, ob er Stürze hinter sich hat. Hier weiß ich, dass der Lenker kaum gefahren wurde, aber ich ersetze ihn gegen einen mit der originalen Höhe. Die Armaturen werde ich wohl später wechseln. Den Gasgriff ersetze ich auch gegen einen neuen, weil der montierte außen aufgesägt war und ich gerne ein Easy-Throttle-Lager montieren möchte. Dieses Lager gibt es wohl nur noch im Abverkauf. Ich habe keines mehr für meinen Lenkerdurchmesser bekommen, dafür aber zwei Stück für jeweils unter 20€ inkl. Versand. Eins fürs Lager und das andere montiere ich, nachdem ich das Lenkerende mit einer Reibahle auf den passenden Durchmesser aufgerieben habe. Die Präzision dieser Lösung beim Gasgriff schätze ich bei Wettbewerben sehr, das ist mir den Aufwand wert.

Elektrik

Für die Elektrik bestelle ich mir erstmal einen Lenkerschalter. Ein Hoch auf das Baukastensystem. Da dieser Schalter auch bei (aktuellen) Enduros zum Einsatz kommt, ist er problemlos erhältlich, wenn auch zu Apothekenpreisen der orangen Motorradmarke. Ergänzt wird dieser bei mir noch zusätzlich durch einen Magnet-Abreißschalter, wie er für Wettbewerbe vorgeschrieben ist. Ich nutze diesen aber immer, wenn ich mit den Motorrädern fahre, es ist ein Sicherheitsgewinn für Mensch und Maschine.

Jetzt folgt der anspruchsvolle Teil: Der Kabelbaum. Der ist nur noch in Fragmenten vorhanden, schon ziemlich zerbröselt und eigenwillig verändert. Während die Beleuchtung und die Schaltereinheit vorne einfach abgezwickt wurde, wurde der Kabelbaum so kurzgeschlossen, dass das Rücklicht ständig leuchtet. Das tat es aber dann mangels Leuchtmittel trotzdem nicht.
Ich brauche nicht lange zu überlegen, da ist nichts mehr zu retten. Also neu machen. Leider habe ich nicht genügend unterschiedliche Kabelfarben da, aber wegen 2m bestellen mag ich dann doch nicht. Erstmal gilt es aber, die Kabelfarben den Funktionen des Schalters zuzuordnen und diese dann auch an die passenden Stellen am Mopped zu bringen.
Ich habe einen Kabelbaum einer 96’er Section im Regal, aber da stellt sich auch bald heraus, dass der zwar offensichtlich vollständig, aber ebenso verschlissen ist. Über die Logik, dass der Thermokontakt über den Lichtschalter angesteuert wird, werde ich auch nicht ganz schlau, weshalb ich kurzerhand ein leeres Blatt Papier zur Hand nehme, die verbauten Komponenten darauf zeichne und diese dann sinnvoll miteinander verbinde.
Das baue ich dann so in der Praxis nach und siehe da – ich muss nur einen Denkfehler korrigieren und schon funktioniert alles, von der Beleuchtung, über die Hupe und den temperaturgesesteuerten Lüfter bis hin zum Motor-Aus, bzw. Abreißschalter.
Wie man den Frontscheinwerfer einstellt, wenn die ganze Lampenmaske nur mit zwei Kabelbindern an den Gabelrohren befestigt ist, dazu muss ich mir für den TÜV noch Gedanken machen. Ich hoffe auch, dass ich dafür nicht Bremslicht und Blinker nachrüsten muss, denn dafür ist a) kein Schalter vorhanden und b) außer dem Lüfter läuft alles über Wechselstrom, für Blinker muss hier ein Gleichrichter/Regler und eine Batterie/bzw. Kondensator nachgerüstet werden.

Funktionstest

Nachdem alles wieder an seinem Platz ist und die Section dem Foto im Prospekt sehr ähnelt, folgt ein Funktionstest in der Werkstatt. Also Sprithahn auf – das ist bei diesem Rahmen eine echte Herausforderung, Choke rein und kicken. Wahnsinn, wie viel Kompression der Motor im Vergleich zu meiner 95’er Section hat. Die Gasannahme ist präzise und ohne Verzögerung – so muss das sein. Licht, Lüfter, Hupe und das Abstellen des Motors funktionieren auch, die Gabel fühlt sich ziemlich weich an.
Im Großen und Ganzen bin ich erstmal zufrieden und stelle die Fantic bis zu ihrem ersten Einsatz ab.

Rollout

Der Ostermontag ist heuer ein zweifacher Feiertag. Kurzfristig gibt einer der Trainingsobmänner bekannt, dass er den Enduropark aufsperrt – die Chance für mich zur Jungfernfahrt meiner 97’er Section.

Also volltanken, einladen und los geht’s bei herrlichem Sonnenschein nach Augsburg. Nach dem Ausladen und anziehen der Schutzkleidung  starte ich die Fantic und drehe die ersten Runden. Das Balancieren fällt mir sehr viel schwerer wie bei der 95’er, liegt wohl am steileren Lenkwinkel. Die Paioli-Gabel ist sehr weich mit mehr Durchhang als die Marzocci meiner Schwarzen. Das Ankicken (nach vorne) braucht spürbar mehr Schmackes, aber dafür ist der Motor deutlich – sehr deutlich aggressiver als bei der 95’er. WOW!
Ich muss ein paarmal anhalten, um Kupplung und Handbremse einzustellen, bis der Schleifpunkt/Druckpunkt da ist, wo ich es gewohnt bin. Das Standgas muss noch minimal höher, dann bin ich bereit für den Test.

Was soll ich sagen: Während ich bei der 95’er die Kupplung eher digital funktioniert und der Schleifpunkt nur mit genügend Zeit zu finden ist, ist die Kupplung hier extrem leichtgängig und der Schleifpunkt ist ein Traum. Ich habe rund 2mm Weg am Kupplungshebel, um den Schleifpunkt in unterschiedlichen ‚Härtegraden‘ abzurufen. Es ist ein Quantensprung! Allerdings stelle ich recht schnell fest, dass man damit auch umgehen können muss. Aber das bekomme ich mit ein wenig Übung hin.
Kehren im Hang klappen nach mehreren Versuchen mit schleifender Kupplung ganz gut, so dass mich die längere Übersetzung nicht wirklich stört. Allerdings macht mir der geringere Nachlauf durch den steileren Lenkwinkel zu schaffen: Kehren am Hang, die ich vorher problemlos geschafft habe, kriege ich nicht hin. Aber auch das ist eine Übungssache.
Weiter geht es mit den Stufen. Die Gabel durch Einfedern aufladen, dann ausfedern und ein kurzer Gasstoß. WOW, das geht ab. Die Gabel hat kaum Zugstufe und die aggressive Leistungsentfaltung sorgt dafür, dass das Vorderrad weitaus höher geht, als ich das von der schwarzen Section gewohnt bin. Auch hier hilft die Übung, das wieder präzise in den Griff zu bekommen.

Das Ding macht einfach nur Spaß, so agil und aggressiv und die Kupplung ein Traum! Um ehrlich zu sein: Es wird schwer für die Schwarze, sich neben der Blauen zu behaupten. Allerdings muss ich hier auch sagen: Ich habe bei der nur Fahrwerk, Vergaser, Bremsen, Antrieb und Räder angefasst, der Motor hat eine neue Kupplung und regelmäßige Ölwechsel bekommen. Und natürlich hat er etliche Wettbewerbe und noch mehr Traninigseinheiten hinter sich.
Ich werde auch da den Motor überholen und hoffe, dass die dann ähnlich abgeht.

Fazit

Die 97’er Section hat mich wirklich begeistert. Ich brauche noch ein wenig, um mich daran zu gewöhnen. Was nach der Probefahrt auf die To-Do-Liste gekommen ist:

  • Moderne Kupplungspumpe
  • Moderne Bremspunmpe
  • Gabel überholen (Durchhang minimieren)
  • Federbein überholen (schlägt bei Sprüngen oder Stufen durch)
  • Finne an der Schwinge montieren

Ansonsten hat sie eine Motorcharakteristik wie eine moderne Trialmaschine – was mich wirklich erstaunt hat. Allerdings wird sie dennoch nicht komplett konkurrenzfähig zu einem modernen Trailer, denn sie ist schwerer, der Lenkeinschlag ist geringer und sie baut sehr hoch.