Schon vor dem Wecker bin ich wach. Heute werden wir endlich mit den Motorrädern unterwegs sein. Das Frühstück ist ebenso üppig wie das Abendessen gestern, Hier Abnehmen ist schlichtweg unmöglich. Unser Zimmerwirt sitzt am Tisch nebenan und versucht in einem Mischmasch aus Viel Rumänisch, weniger Englisch und noch weniger Deutsch mit mir zu kommunizieren. Er gehört zu den Menschen, deren Rumänisch ich nur schwer verstehe. Bei anderen fällt es mir leichter. Dennoch erfahren wir viel vom Ort, von der Gegend und deren Geschichte. Hier wurde früher in erster Linie Gold abgebaut – solange das per Hand noch wirtschaftlich war. Nachdem dies industrialisiert wurde, war der Abbau nicht mehr ertragreich genug, weil es hier neben Gold keine anderen Metalle gibt. Deshalb wurde der Abbau nach Rosia Montana verlagert, wo man neben dem Gold auch noch Uran, andere Metalle und seltene Erden abbaut.
Die Motorräder werden vorbereitet, die Motoren gestartet, dann geht es los. ich will über Strungari und Rachita auf den Transalpina, so müssen wir nicht die Schleife über Sebes nehmen. Gerade, als wir den Ort verlassen, fällt mir ein, dass ich den Tracker nicht dabei habe. Während ich die kurze Strecke nochmals zurückfahre, warten die Freunde derweil am Straßenrand. Es gibt zu Hause ein paar Leute, die unsere Tour gespannt verfolgen, die wollen wir natürlich mit aktuellen Daten versorgen.
In Strungari biegen wir links ab und gelangen auf ein Sträßcen, gerade breit genug für ein Auto. Die Anwohner schauen uns interessiert nach, während wir über einen kleinen Berg fahren. Dann biegen wir südlich in die Straße des Königs, wie der Transalpina auch genannt wird, ein. König Carol II. hat die DN67C 1939 eingeweiht. Für meine Begleiter ist es die Erstbefahrung.
In Sugag suche ich nach der Hausnummer 51. An den meisten Häusern gibt es gar keine Hausnummern – ich finde sie dennoch.
Unser Besuch wurde von unserem Zimmerwirt angekündigt, so hält wenige Minuten später ein Auto gegenüber, ein junger Mann kommt auf uns zu und führt uns in den Garten, wo er schon ein paar schwaze Lammfelle vorbereitet hat.
Deutlich kleiner als meines und auch kürzer, sehr krause Haare, meine Begleiter nehmen dennoch jeder eines davon. Die werden auch gleich auf der Sitzbank platziert, was auch der spätere Zweck sein soll.
Weiter geht es den Transalpina hoch, rechter Hand am unteren Stausee vorbei in Richtung Ranca. Den oberen Stausee fahren wir am linken Ufer entlang. Wir passieren die erste Barriere, an der ein Schild darauf hinweist, dass der Pass noch gesperrt ist. Wenig später kommt uns ein Auto entgegen. Es ist die klassische Wintersperre, befahren auf eigene Gefahr. Ab hier ist der Transalpina quasi neu asphaltiert. Deutlich sind noch die Spuren des Winters zu sehen. Abgerutschte Stellen am Straßenrand oder in die Straße gekippte Bäume, die zum Teil provisorisch abgeschnitten wurden, um die Durchfahrt zu ermöglichen. Einzelne Schneeflecken zeige an, dass wir mehr und mehr an Höhe gewinnen.
Ein Stück geht es dann wieder bergab, Wir haben den Pasul Tărtărău bezwungen. Ich biege rechts ab, ein bevor wir an der Cabana Obârșia Lotrului vorbeifahren, in der wir später essen gehen wollen. Links von uns hat sich der Fluss Lotru ein breites Bett in den Kies gegraben. Ein Kloster säumt den Weg. wenige hundert Meter später mündet die 7A aus Petrosani in den Transalpina, wir halten uns links zum Urdele Pass. Auch hier versperrt eine Betonbarriere die Hälfte der Fahrbahn, ergänzt um ein ‚Gesperrt‘ Schild. Laut der Tafel sollte der Pass seit gestern offen sein, weitergefahren wären wir so oder so. Bald steigen wir ein in eine Folge Serpentinen mit sehr kurzen Geraden dazwischen. Ich versuche etwas Abstand zu gewinnen, der ungewohnte Reifen ist aber immer noch so kippelig in den Kehren, dass ich es nicht schaffe, genügend Abstand zum Fotografieren zu bekommen.
Dann öffnet sich die Landschaft. Grandiose Fernsicht über die Berge des Parang-Gebirges, während wir uns in die Höhe schrauben. An der höchsten Stelle stehen neuerdings ein paar Buden, in denen im Sommer Dinge an Touristen verkauft werden. Wir sind seit geraumer Zeit niemandem begegnet, ein Umsatz wäre wohl eher nicht zu erwarten, weshalb die Stände verwaist auf die kommende Saison warten.
Wenig später am höchsten Punkt halte ich an für eine Pause und ein paar Fotos. Rebecca stellt ihre XT ebenfalls ab, die Straße geht schon leicht bergab, sie hat vergessen einen Gang einzulegen, weshalb das Motorrad umkippt. Sekunden später steht sie wieder auf den Pneus, helfende Hände sind gerade genug verfügbar. Wir fahren ein paar Meter abseits der Straße für ein paar Foos und um den Fernblick zu genießen. In Richtung Süden sehen wir die höchste Stelle des Urdele-Passes, Wolken ziehen darüber hinweg, ein Schauspiel sondergleichen.
Dann machen wir uns auf den Weg dahin. Zwischendurch passieren wir immer wieder Stellen, an denen die Schneewände mehrere Meter über unsere Köpfe hinweg aufragen, die Straße wurde hier bereits freigelegt.
Wir tauchen ein in die Wolkenschicht, die uns teilweise nur wenige Meter Sicht ermöglicht. Über etliche Kehren erreichen wir die höchste Stelle unserer diesjährigen Endurowandern-Tour mit 2.145m Höhe.
Damit haben wir die höchste Pass-Straße Rumäniens gefahren, Die Berge des Transfagarasan sind zwar höher, die Sraße passiert diese jedoch ’nur‘ auf 2.042m.
Etwas weiter unten ist ein Radlader gerade dabei, die letzten Schneewehen zu beseitigen. Pünktlich, damit wir den Pass fahren können.
Mich wundert immer wieder, dass an vielen Stellen nur eine Fahrzeugbreite geräumt wird. Ein wenig Matsch liegt noch auf der Straße und bringt fast alle ein wenig zum Schlingern. Die Sicht wird besser und wir rollen auf dem frischen Asphalt bergab in den Ski-Ort Ranca. Erst 2012 wurde dieses letzte Stück Transalpina asphaltiert und so für alle Fahrzeuge befahrbar gemacht.
Ein paar Straßenhunde lungern träge herum, nehmen kaum Notiz von uns. eine Gruppe Jugendlicher dreht neugierig den Kopf in unsere Richtung. Hier und dort wird renoviert oder gebaut. Eine Schafherde kommt uns entgegen. Ich gebe ein Zeichen, die Motoren abzustellen. Wir haben Zeit, die Schäfer sind dankbar dafür. Das ist sowas wie bei uns der Almauftrieb. Den Sommer über werden sie mit ihrer Herde auf den Gebirgsweiden verbringen.
Etwa einen Kilometer nach dem Ortsausgang verlasse ich den Transalpina und biege in einen Schotterweg ein, der uns einen Hügel hinauf zu einer Sendestation führt. Der Grund, weshalb ich hier herauf gefahren bin, ist die fortgeschrittene Zeit. Ich möchte der Gruppe mitteilen, dass wir den Rest des Transalpina liegen lassen und hier umdrehen.
Kaum habe ich mein Motorrad abgestellt, kommt Rebecca mit sorgenvoller Miene auf mich zu. Ihre XT verliert Öl. Schnell finde ich die Ursache: Beim Umfallen vorhin hat der Schalthebel ein Loch in den Kupplungsdeckel gedrückt. Mit einem Papiertaschentuch und etwas Benzin reinige und entfette ich die Stelle. Dann versuche ich sie mit Power-Tape abzudichten. Weiß nicht, ob der Kleber den Temperaturen des Motors gewachsen ist.
Was vorher schon beabsichtigt war, wird nun zum Fakt: Wir fahren nicht weiter hinunter ins Tal, sondern drehen hier um. Vorher gehen wir noch zur Hangkante, genießen den Blick ins Tal. Die Wolken hängen tief, nur ein Teil des Tales ist wolkenfrei, das breite Band des Olt ist zu sehen.
Zurück durch Ranca und ein Stück den Pass hoch. Als ich für ein Foto stehen bleibe, kommt Rebecca neben mich gerollt. Wie befürchtet, hält der Kleber vom PowerTape der Hitze des Motors nicht stand, die XT verliert wieder Öl. Ich schiebe sie an die Schneemauer und lege sie schräg. Mit Papiertaschentuch und Benzin entferne ich Öl und Klebebandrückstände. Denn denke ich darüber nach, wie ich das Problem lösen kann. Anfang der 80er habe ich mir bei einem Sturz ein Leck im Benzintank meiner XT500 eingefangen. Damals gab es noch kein Powertape. Ein Kaugummi war alles, was ich dabei hatte – und der hat funktioniert. Durch den Kontakt mit dem Benzin ist er recht schnell ausgehärtet, wobei ich damals dennoch einen halben Tag gewartet hatte, bevor ich den Tank wieder auf das Motorrad gesetzt habe. So viel Zeit haben wir heute nicht. Plan B wäre, das Motorrad stehen zu lassen, um es mit dem Hänger zu holen. Flüssigmetall habe ich in der Werkzeugkiste im Auto. Wir müssen noch knapp 100km überbrücken. Rebecca hat einen Kaugummi dabei und beginnt schon mal, diesen weich zu kauen. Dann drückt sie ihn auf die Bruchstelle, ich beträufle ihn mit etwas Benzin und decke ihn mit der Papiertaschentuchverpackung ab, bevor ich das Ganze wieder mit PowerTape fixiere. Zum Aushärten des Kaugummis fehlt die Zeit, aber es muss ja auch nur bis nach Hause halten.
Nach dem Urdele-Pass fahre ich die Cabana Obârșia Lotrului an, wo es meiner Meinung nach die besten Papanasi in ganz Rumänien gibt. Ein paar Motorräder stehen schon da, die Besitzer kommen neugierig herbei und bestaunen unsere alten Maschinen. Wir tauschen ein paar Informationen aus, dann gehen wir rein, während die Anderen lieber draußen im Freien ihren Kaffee genießen. Eigentlich wollten wir hier Forelle essen und die Mega-Portionen Papanasi teilen. Schlußendlich bestellt jeder eine Portion Papanasi und alle haben damit zu kämpfen, diese zu vertilgen. Der junge Ober findet offenbar Gefallen an Rebecca und versucht auf Englisch mit ihr zu flirten. Als wir zahlen fragt er mich, ob sie verheiratet ist und ob ich meine, dass er mal ein Foto mit ihr und ihrem Motorrad machen könnte. Kein Problem antworte ich und bitte Rebecca um den Gefallen. Er darf sogar auf dem Motorrad sitzen und bittet Rebecca, sich neben ihn zu stellen, wo er dann schüchtern einen Arm auf ihre Schulter legt. Wenn sie heiraten will, dann könne sie ja auch mal in Rumänien nach dem richtigen Mann suchen, sagt er zu ihr – wo ihr doch das Land schon so gut gefällt.
Schmunzelnd starten wir die Motoren – mein Kaugummi-Provisorium ist noch dicht. Wir fahren die gleiche Strecke zurück, die wir gekommen sind. In Sugag fragen wir an der Tanke, ob sie Motorradöl haben, denn wir wissen nicht, wie viel Rebeccas XT heute verloren hat. Haben sie, Rebecca kauft einen Liter und schüttet die Hälfte davon in den Öltank. Das Kaugummi-Provisorium fängt wieder leicht an zu lecken, weil wiederum der Kleber des Powertapes weich geworden ist. Ein letztes Mal ziehe ich das Tape ab und pflastere mit neuem Tape drüber. Um die Ränder mache ich noch Gewebeklebeband – vielleicht hält der Kleber von dem ja besser. Wir haben nur noch 40km nach Hause, wird schon halten.
An der Hofeinfahrt angekommen, steige ich ab, um das Tor zu öffnen. Hinter mir klatscht Rebeccas Mopped auf die rechte Seite, sie selber fällt im eleganten Bogen drüber. Sie hatte wohl versucht, elegant das rechte Bein schon beim Fahren über die Sitzbank zu bringen, die XT bekam Übergewicht nach rechts und so konnte sie den Sturz nicht verhindern. Die Strichliste auf ihrem Tank füllt sich so nach und nach.
Ich lege ihre XT an Marions Hänger und entferne das Provisorium. Mit Bremsenreiniger mache ich die Stelle fettfrei, bevor ich es mit Schmirgelpapier gründlich aufrauhe. Dann rühre ich ein wenig Flüssigmetall an und spachtle es auf das Leck. Nun hat die Masse über Nacht Zeit, durchzutrocknen. Wir nehmen zwischenzeitlich eine Dusche und finden uns im Knast ein, um mal wieder feudal zu speisen. Heute gibt es Ciorba mit Peperoni und Smântână dazu, als Hauptgang Gulaş. Als Nachtisch bekommen wir Clatita mit Pflaumenmarmelade. Wie schon gestern steht ein viertel Liter Tzuika und ein viertel Liter Tzuika-Likör auf dem Tisch – gratis. Wir sitzen noch lange in diesem Kellergewölbe, Marion hat eine Flasche selbergemachten Chili-Schnaps dabei, der natürlich von allen (außer mir) degustiert wird. Es ist schon weit nach Mitternacht, bis wir uns in die Betten zurück ziehen.
Ein weiteres Tagebuch über die Tour findest Du hier – klick –
16 Mai 2015
Samstag, 16.05.2015 Transalpina, Pasul Urdele und ein Heiratsantrag
Schon vor dem Wecker bin ich wach. Heute werden wir endlich mit den Motorrädern unterwegs sein. Das Frühstück ist ebenso üppig wie das Abendessen gestern, Hier Abnehmen ist schlichtweg unmöglich. Unser Zimmerwirt sitzt am Tisch nebenan und versucht in einem Mischmasch aus Viel Rumänisch, weniger Englisch und noch weniger Deutsch mit mir zu kommunizieren. Er gehört zu den Menschen, deren Rumänisch ich nur schwer verstehe. Bei anderen fällt es mir leichter. Dennoch erfahren wir viel vom Ort, von der Gegend und deren Geschichte. Hier wurde früher in erster Linie Gold abgebaut – solange das per Hand noch wirtschaftlich war. Nachdem dies industrialisiert wurde, war der Abbau nicht mehr ertragreich genug, weil es hier neben Gold keine anderen Metalle gibt. Deshalb wurde der Abbau nach Rosia Montana verlagert, wo man neben dem Gold auch noch Uran, andere Metalle und seltene Erden abbaut.
Die Motorräder werden vorbereitet, die Motoren gestartet, dann geht es los. ich will über Strungari und Rachita auf den Transalpina, so müssen wir nicht die Schleife über Sebes nehmen. Gerade, als wir den Ort verlassen, fällt mir ein, dass ich den Tracker nicht dabei habe. Während ich die kurze Strecke nochmals zurückfahre, warten die Freunde derweil am Straßenrand. Es gibt zu Hause ein paar Leute, die unsere Tour gespannt verfolgen, die wollen wir natürlich mit aktuellen Daten versorgen.
In Strungari biegen wir links ab und gelangen auf ein Sträßcen, gerade breit genug für ein Auto. Die Anwohner schauen uns interessiert nach, während wir über einen kleinen Berg fahren. Dann biegen wir südlich in die Straße des Königs, wie der Transalpina auch genannt wird, ein. König Carol II. hat die DN67C 1939 eingeweiht. Für meine Begleiter ist es die Erstbefahrung.
In Sugag suche ich nach der Hausnummer 51. An den meisten Häusern gibt es gar keine Hausnummern – ich finde sie dennoch.
Unser Besuch wurde von unserem Zimmerwirt angekündigt, so hält wenige Minuten später ein Auto gegenüber, ein junger Mann kommt auf uns zu und führt uns in den Garten, wo er schon ein paar schwaze Lammfelle vorbereitet hat.
Deutlich kleiner als meines und auch kürzer, sehr krause Haare, meine Begleiter nehmen dennoch jeder eines davon. Die werden auch gleich auf der Sitzbank platziert, was auch der spätere Zweck sein soll.
Weiter geht es den Transalpina hoch, rechter Hand am unteren Stausee vorbei in Richtung Ranca. Den oberen Stausee fahren wir am linken Ufer entlang. Wir passieren die erste Barriere, an der ein Schild darauf hinweist, dass der Pass noch gesperrt ist. Wenig später kommt uns ein Auto entgegen. Es ist die klassische Wintersperre, befahren auf eigene Gefahr. Ab hier ist der Transalpina quasi neu asphaltiert. Deutlich sind noch die Spuren des Winters zu sehen. Abgerutschte Stellen am Straßenrand oder in die Straße gekippte Bäume, die zum Teil provisorisch abgeschnitten wurden, um die Durchfahrt zu ermöglichen. Einzelne Schneeflecken zeige an, dass wir mehr und mehr an Höhe gewinnen.
Ein Stück geht es dann wieder bergab, Wir haben den Pasul Tărtărău bezwungen. Ich biege rechts ab, ein bevor wir an der Cabana Obârșia Lotrului vorbeifahren, in der wir später essen gehen wollen. Links von uns hat sich der Fluss Lotru ein breites Bett in den Kies gegraben. Ein Kloster säumt den Weg. wenige hundert Meter später mündet die 7A aus Petrosani in den Transalpina, wir halten uns links zum Urdele Pass. Auch hier versperrt eine Betonbarriere die Hälfte der Fahrbahn, ergänzt um ein ‚Gesperrt‘ Schild. Laut der Tafel sollte der Pass seit gestern offen sein, weitergefahren wären wir so oder so. Bald steigen wir ein in eine Folge Serpentinen mit sehr kurzen Geraden dazwischen. Ich versuche etwas Abstand zu gewinnen, der ungewohnte Reifen ist aber immer noch so kippelig in den Kehren, dass ich es nicht schaffe, genügend Abstand zum Fotografieren zu bekommen.
Dann öffnet sich die Landschaft. Grandiose Fernsicht über die Berge des Parang-Gebirges, während wir uns in die Höhe schrauben. An der höchsten Stelle stehen neuerdings ein paar Buden, in denen im Sommer Dinge an Touristen verkauft werden. Wir sind seit geraumer Zeit niemandem begegnet, ein Umsatz wäre wohl eher nicht zu erwarten, weshalb die Stände verwaist auf die kommende Saison warten.
Wenig später am höchsten Punkt halte ich an für eine Pause und ein paar Fotos. Rebecca stellt ihre XT ebenfalls ab, die Straße geht schon leicht bergab, sie hat vergessen einen Gang einzulegen, weshalb das Motorrad umkippt. Sekunden später steht sie wieder auf den Pneus, helfende Hände sind gerade genug verfügbar. Wir fahren ein paar Meter abseits der Straße für ein paar Foos und um den Fernblick zu genießen. In Richtung Süden sehen wir die höchste Stelle des Urdele-Passes, Wolken ziehen darüber hinweg, ein Schauspiel sondergleichen.
Dann machen wir uns auf den Weg dahin. Zwischendurch passieren wir immer wieder Stellen, an denen die Schneewände mehrere Meter über unsere Köpfe hinweg aufragen, die Straße wurde hier bereits freigelegt.
Wir tauchen ein in die Wolkenschicht, die uns teilweise nur wenige Meter Sicht ermöglicht. Über etliche Kehren erreichen wir die höchste Stelle unserer diesjährigen Endurowandern-Tour mit 2.145m Höhe.
Damit haben wir die höchste Pass-Straße Rumäniens gefahren, Die Berge des Transfagarasan sind zwar höher, die Sraße passiert diese jedoch ’nur‘ auf 2.042m.
Etwas weiter unten ist ein Radlader gerade dabei, die letzten Schneewehen zu beseitigen. Pünktlich, damit wir den Pass fahren können.
Mich wundert immer wieder, dass an vielen Stellen nur eine Fahrzeugbreite geräumt wird. Ein wenig Matsch liegt noch auf der Straße und bringt fast alle ein wenig zum Schlingern. Die Sicht wird besser und wir rollen auf dem frischen Asphalt bergab in den Ski-Ort Ranca. Erst 2012 wurde dieses letzte Stück Transalpina asphaltiert und so für alle Fahrzeuge befahrbar gemacht.
Ein paar Straßenhunde lungern träge herum, nehmen kaum Notiz von uns. eine Gruppe Jugendlicher dreht neugierig den Kopf in unsere Richtung. Hier und dort wird renoviert oder gebaut. Eine Schafherde kommt uns entgegen. Ich gebe ein Zeichen, die Motoren abzustellen. Wir haben Zeit, die Schäfer sind dankbar dafür. Das ist sowas wie bei uns der Almauftrieb. Den Sommer über werden sie mit ihrer Herde auf den Gebirgsweiden verbringen.
Etwa einen Kilometer nach dem Ortsausgang verlasse ich den Transalpina und biege in einen Schotterweg ein, der uns einen Hügel hinauf zu einer Sendestation führt. Der Grund, weshalb ich hier herauf gefahren bin, ist die fortgeschrittene Zeit. Ich möchte der Gruppe mitteilen, dass wir den Rest des Transalpina liegen lassen und hier umdrehen.
Kaum habe ich mein Motorrad abgestellt, kommt Rebecca mit sorgenvoller Miene auf mich zu. Ihre XT verliert Öl. Schnell finde ich die Ursache: Beim Umfallen vorhin hat der Schalthebel ein Loch in den Kupplungsdeckel gedrückt. Mit einem Papiertaschentuch und etwas Benzin reinige und entfette ich die Stelle. Dann versuche ich sie mit Power-Tape abzudichten. Weiß nicht, ob der Kleber den Temperaturen des Motors gewachsen ist.
Was vorher schon beabsichtigt war, wird nun zum Fakt: Wir fahren nicht weiter hinunter ins Tal, sondern drehen hier um. Vorher gehen wir noch zur Hangkante, genießen den Blick ins Tal. Die Wolken hängen tief, nur ein Teil des Tales ist wolkenfrei, das breite Band des Olt ist zu sehen.
Zurück durch Ranca und ein Stück den Pass hoch. Als ich für ein Foto stehen bleibe, kommt Rebecca neben mich gerollt. Wie befürchtet, hält der Kleber vom PowerTape der Hitze des Motors nicht stand, die XT verliert wieder Öl. Ich schiebe sie an die Schneemauer und lege sie schräg. Mit Papiertaschentuch und Benzin entferne ich Öl und Klebebandrückstände. Denn denke ich darüber nach, wie ich das Problem lösen kann. Anfang der 80er habe ich mir bei einem Sturz ein Leck im Benzintank meiner XT500 eingefangen. Damals gab es noch kein Powertape. Ein Kaugummi war alles, was ich dabei hatte – und der hat funktioniert. Durch den Kontakt mit dem Benzin ist er recht schnell ausgehärtet, wobei ich damals dennoch einen halben Tag gewartet hatte, bevor ich den Tank wieder auf das Motorrad gesetzt habe. So viel Zeit haben wir heute nicht. Plan B wäre, das Motorrad stehen zu lassen, um es mit dem Hänger zu holen. Flüssigmetall habe ich in der Werkzeugkiste im Auto. Wir müssen noch knapp 100km überbrücken. Rebecca hat einen Kaugummi dabei und beginnt schon mal, diesen weich zu kauen. Dann drückt sie ihn auf die Bruchstelle, ich beträufle ihn mit etwas Benzin und decke ihn mit der Papiertaschentuchverpackung ab, bevor ich das Ganze wieder mit PowerTape fixiere. Zum Aushärten des Kaugummis fehlt die Zeit, aber es muss ja auch nur bis nach Hause halten.
Nach dem Urdele-Pass fahre ich die Cabana Obârșia Lotrului an, wo es meiner Meinung nach die besten Papanasi in ganz Rumänien gibt. Ein paar Motorräder stehen schon da, die Besitzer kommen neugierig herbei und bestaunen unsere alten Maschinen. Wir tauschen ein paar Informationen aus, dann gehen wir rein, während die Anderen lieber draußen im Freien ihren Kaffee genießen. Eigentlich wollten wir hier Forelle essen und die Mega-Portionen Papanasi teilen. Schlußendlich bestellt jeder eine Portion Papanasi und alle haben damit zu kämpfen, diese zu vertilgen. Der junge Ober findet offenbar Gefallen an Rebecca und versucht auf Englisch mit ihr zu flirten. Als wir zahlen fragt er mich, ob sie verheiratet ist und ob ich meine, dass er mal ein Foto mit ihr und ihrem Motorrad machen könnte. Kein Problem antworte ich und bitte Rebecca um den Gefallen. Er darf sogar auf dem Motorrad sitzen und bittet Rebecca, sich neben ihn zu stellen, wo er dann schüchtern einen Arm auf ihre Schulter legt. Wenn sie heiraten will, dann könne sie ja auch mal in Rumänien nach dem richtigen Mann suchen, sagt er zu ihr – wo ihr doch das Land schon so gut gefällt.
Schmunzelnd starten wir die Motoren – mein Kaugummi-Provisorium ist noch dicht. Wir fahren die gleiche Strecke zurück, die wir gekommen sind. In Sugag fragen wir an der Tanke, ob sie Motorradöl haben, denn wir wissen nicht, wie viel Rebeccas XT heute verloren hat. Haben sie, Rebecca kauft einen Liter und schüttet die Hälfte davon in den Öltank. Das Kaugummi-Provisorium fängt wieder leicht an zu lecken, weil wiederum der Kleber des Powertapes weich geworden ist. Ein letztes Mal ziehe ich das Tape ab und pflastere mit neuem Tape drüber. Um die Ränder mache ich noch Gewebeklebeband – vielleicht hält der Kleber von dem ja besser. Wir haben nur noch 40km nach Hause, wird schon halten.
An der Hofeinfahrt angekommen, steige ich ab, um das Tor zu öffnen. Hinter mir klatscht Rebeccas Mopped auf die rechte Seite, sie selber fällt im eleganten Bogen drüber. Sie hatte wohl versucht, elegant das rechte Bein schon beim Fahren über die Sitzbank zu bringen, die XT bekam Übergewicht nach rechts und so konnte sie den Sturz nicht verhindern. Die Strichliste auf ihrem Tank füllt sich so nach und nach.
Ich lege ihre XT an Marions Hänger und entferne das Provisorium. Mit Bremsenreiniger mache ich die Stelle fettfrei, bevor ich es mit Schmirgelpapier gründlich aufrauhe. Dann rühre ich ein wenig Flüssigmetall an und spachtle es auf das Leck. Nun hat die Masse über Nacht Zeit, durchzutrocknen. Wir nehmen zwischenzeitlich eine Dusche und finden uns im Knast ein, um mal wieder feudal zu speisen. Heute gibt es Ciorba mit Peperoni und Smântână dazu, als Hauptgang Gulaş. Als Nachtisch bekommen wir Clatita mit Pflaumenmarmelade. Wie schon gestern steht ein viertel Liter Tzuika und ein viertel Liter Tzuika-Likör auf dem Tisch – gratis. Wir sitzen noch lange in diesem Kellergewölbe, Marion hat eine Flasche selbergemachten Chili-Schnaps dabei, der natürlich von allen (außer mir) degustiert wird. Es ist schon weit nach Mitternacht, bis wir uns in die Betten zurück ziehen.
Ein weiteres Tagebuch über die Tour findest Du hier – klick –