Als ich heute Morgen aus dem Fenster sehe, is der Himmel bewölkt. An sich hatte ich vor, den Retezat-Naturpark zu erkunden. Nachdem ich gefrühstückt habe, beginnt der Himmel aufzureißen und die Sonne zeigt sich wieder. Schnell das Motorrad fertig gemacht und los.
Es geht wieder durch das Jiu-Tal mit den vielen Baustellen Richtung Petrosani. An die Ampeln hält sich hier kaum jemand. Stehen zwei, drei Autos an der Ampel, so geben die hinten kommenden Gas, überfahren die Ampeln bei rot und preschen in die Baustelle. Notfalls muß halt der Vorfahrtsberechtigte ausweichen. Krass.
Hinter einer Kurve wird gerade ein neuer Steinfangzaun an eine Felswand montiert. Während ein Kran das Drahtgeflecht hochgehievt, wird der Verkehr mittels Ampelmänner (so nenne ich die Leute, die mit einer Art Tischtennisschläger mit einer roten und grünen Seite den Verkehr regeln) in beide Richtungen gesperrt. Vor mir ein paar LKW’s und auch ein paar Autos. Als es endlich weiter geht, schert sofort eines der Autos aus und will nach vorne. Doch die Fahrzeuge stehen Stoßstange an Stoßstange und weil der LKW vorne nur langsam in Fahrt kommt, entsteht auch keine Lücke. So muss er vor dem Ampelmann auf der linken Spur anhalten, bis ihm genau sein voriger Hintermann eine Lücke lässt. Er hat also nichts gewonnen und nichts verloren.
In Cluj-Napoca war ich neulich im Feierabendverkehr unterwegs, da lieferten sich zwei Autos ein Straßenrennen und sind mit mindestens 100 km/h lückenspringend durch die Stadt gerast. Dass das nicht immer klappt, sieht man an vielen Kreuzen, die entlang der Straßen aufgestellt sind. Derzeit sehe ich mehrmals täglich Polizei, die Radar- und Alkoholkontrollen durchführen und so versuchen, dem Problem Herr zu werden.
Dem Wegweiser, der nach Vulcan zeigt, folge ich und bin wenig später in der Kohlebergbausiedlung angelangt. Auf den ersten Blick eine trostlose Stadt. Gleich, wo ich reinkomme gibt es ein Armenviertel, wo teilweise kleine Hütten, notdürftig aus Brettern zusammengezimmert und mit Plastikfolie abgedichtet neben halb verfallenen massiven Häuschen stehen. Als ich ein Bild mache, winkt mir ein Junge zu und freut sich über etwas Aufmerksamkeit.
Weiter hinten beginnt die Hauptstraße und Einkaufsmeile, hier wird einiges geboten, was der Größe der Stadt geschulded ist. Für einen Montag Vormittag sind meiner Meinung nach viele Menschen auf der Straße. Bei einer Bank nutze ich die Gelegenheit, meine Bargeldreserven aufzufüllen und finde weiter hinten eine Information, dass der Vulcan-Pass gesperrt ist. Von hier aus klappt es also nicht mit dem Retetat. So entschließe ich mich mal wieder dazu, einfach der Nase nach zu fahren.
Zuerst mache ich noch einen Schlenker durch die Stadt, die gleich neben der Hauptstraße trist und grau wird. Riesige Plattenbauten, dazwischen kein Grün und Menschen, die mich neugierig beobachten.
Ich fahre zurück auf die Hauptstraße und bin bald darauf in Petrosani, wo ich den ersten Kreisverkehr nutze, um in die Stadt einzutauchen. Ich will mir eine Brotzeit für heute kaufen und finde auch gleich einen Platz, wo mehrere kleine Läden beieinander stehen. Dort kaufe ich das größte Brot, was sie haben, ein wenig Wurst und etwas zu trinken. Als ich dieses im Koffer verstaue, beobachte ich eine junge Frau mit Kind an der Hand, die nebenan die Mülltonnen der Geschäfte nach Brauchbarem durchsucht. Das gleiche Bild dann wenig später noch in einer anderen Ecke der Stadt. Bei solchen Bildern gehen mir immer wieder die Phrasen über Armutzzuwanderung unserer Politiker durch den Kopf, die damit Stimmen sammeln wollen. De wirklich Armen haben gar nicht erst die Chance, zu uns zu kommen.
Ein Wegweiser weist auf eine Schlucht hin: Cheile Taii. Na, wenn das mal nichts für mich ist. Der Weg dahin führt durch ein paar kleine Dörfer und wechselt dann von Asphalt auf Schotter. Dann taucht die Schlucht vor mir auf und beeindruckt mich schon von weitem. Allzu lang ist die Schlucht nicht. Dort, wo sie sich wieder öffnet, steht eine Art Denkmal und rechts oben – wie ein Schwalbennest an den Fels geklebt – ist ein kleines Häuschen am Fels. Wie ich erst abends bei der Inteternetrecherche feststelle, wurde dies zum Gedenken an zu Tode gekommene Bergsteiger gebaut und Refugiul Alpiniștilor benannt. Links und rechts in den Fels sind jeweils Tunnel gehauen, ich gehe ein Stück hinein, im Schein meiner Taschenlampe sehe ich, dass diese sich verzweigen. An sich bin ich da immer neugierig, aber auch nicht leichtsinnig genug, um alleine so etwas anzugehen. Der Müll, der hier drin rumliegt, läd auch nicht gerade dazu ein. So bleibt dieses Geheimnis erstmal ungelöst.
Am Fels jede Menge Kletterhaken angebohrt und auch ein paar gelbe Linien von ganz oben bin unten, die wohl jeweils eie Route markieren.
Draußen bläst ein heftiger Wind durch die Schlucht. Hinter dem Denkmal, wo mein Motorrad steht, lässt es sich aushalten. Während ich dort Brotzeit mache, beobachte ich zwei Männer, die durch die Schlucht gehen und den Müll aufsammeln. Diesen machen sie dann so klein wie möglich und deponieren das Ganze dann in einem Container. Ich erkläre sie zu meinen Helden des Tages, denn dass ist der richtige Weg, um den Tourismus in Rumänien auf den Weg zu bringen.
Während ich so dastehe, fahren immer wieder Autos an mir vorbei. Das interesiert mich dann doch, weshalb auch ich kurze Zeit später dem Schotterweg folge. Kaum aus der Schlucht, wärmt mich der Sonnenschein. Ab und an stehen Schilder zu einer Cabana – ob die dahin wollen?
Ein paar einzelne Häuser, die auch Betten und Restaurant haben, säumen den Weg, haben auch schon etwas Patina angesetzt. Rechts oben auf einer Plattform kleine Ferienhäuschen – scheint hier eine Art Naherholungsgebiet zu sein.
Weiter hinten ein Lagerplatz mit riesigen schwarzen Rohren, wie für eine Pipeline und ein Stück weiter des Weges ein Bautrupp, der diese in den Boden eingräbt und verschweißt. Ich denke, es soll eine Wasserleitung werden, denn links von mir fließt ein Bach mit ordentlich Bums.
Ein paar Kilometer weiter oben – eine Baustelle, wo ein Betondings verschalt wird – auf der Rückfahrt sehe ich, dass dies das Fangbecken für das Wasser werden soll. Die Baubude der Arbeiter wirkt abenteuerlich.
Noch ein Stück weiter ein Holzumschlagplatz. Zwei LKW stehen hier und werden gerade mit dicken Buchenstämmen beladen. Auch hier ein alter Bauwagen, in dem ein Mann gerade Holz in einen alten Kanonenofen nachlegt. Skurril, bei uns bestenfalls im Museum zu bewundern. Auch eine Frau ist anwesend, bei so großen Holzfällerlagern ist es meist die, die das Essen für die rauhen Jungs zubereitet, damit diese bei Kräften bleiben.
Dann wird es still um mich, wenn man mal vom Rauschen des Baches absieht, der nun rechts von mir sein steiniges Bachbett durchfließt. Ich tauche ein in einen Wald und fahre stetig bergan. Mein Motorrad zeigt seine Enzylinderqualitäten, dessen Drehmoment uns in niedriger Drehzahl im zweiten Gang den Berg hinauf schiebt, begleitet von einem sonoren ‚bob-bob-bob-bob…‘
Dann passiere ich die Cabana, deren Hinweisschilder ich schon im Tal wahrgenommen habe. Der Schornstein raucht, ein paar Hunde bellen mich an. Hier tauchen zwischen den Bäumen einzelne Schneeflecken auf, die sich mit zunehmender Höhe verdichten. Bald findet sich auch auf dem Weg Schnee, dort wo die Sonne nicht hinkommt. Als der Weg komplett schneebedeckt ist, fahre ich in eine alte Spur, muss aber gleich feststellen, dass diese vereist ist, und meinem Hinterrad keinen Grip bietet. Also rolle ich zurück und probiere es am Rand, womit ich auch Erfolg habe. Ich liebe es, solche Wege zu fahren. Dann erreiche ich einen alten Holzumschlagplatz, von hier aus geht es in mehrere Richtungen einspurig weiter. Das ist der Punkt, wo richtiges Endurowandern beginnt. Ab hier sollte man aus Sicherheitsgründen zu dritt unterwegs sein. Für mich deshalb der Wendepunkt.
Zufrieden drehe ich mein Motorrad und lasse es im Leerlauf den Berg hinunterrollen. Die Schneefelder passiere ich wieder in der Spur, die ich auf der Hinfahrt gelegt habe. Als ich bei der Cabana vorbeikomme, kommt der Besitzer neugierig heraus und winkt mir zu.
Die beiden LKW’s sind weg, es wird aber am Holzlagerplatz eifrig für die nächste Ladung vorbereitet. Der Laderfahrer macht mir Platz und lässt mich passieren. Weiter unten im Tal treffe ich auf einen der LKW’s, fahre ein Stück weit in dessen Staubfahne, bis er mir ein Zeichen gibt, dass ich passieren kann. Das liebe ich an Rumänien. Man ist hier mit dem Motorrad kein Störenfried, sondern wird einfach akzeptiert.
Zurück in Petrosani merke ich, dass der Himmel sich wieder zugezogen hat. Aber ich habe vor, den Zubringer zum Transalpina zu fahren, den ich bergab schon zusammen mit Elisabeth gefahren bin. Ich muss gar nicht in die Stadt rein, finde eine Querung und bin bald auf dem richtigen Weg. Mein Herz geht auf, als ich die ersten Kurven duch die Schlucht fahre. Die Felsen sind teilweise mit Flechten bewachsen, die an einen gelben Leuchtmarker erinnern. Die Straße ist fast leer, ein Radfahrer strampelt bergan und ein paar wenige Autos kommen entgegen.
Immer wieder fantastisches zu sehen, Grund für einen Fotostopp. Mächtige Eisformationen, wo im Sommer ein Wasserfall zu sehen ist, eindrucksvolle Schluchten, die ich druchfahre.
Eine Cabana weiter oben steht noch immer zum Verkauf, hier hat der Winter aber dafür gesorgt, dass es eher als Brennholz zu verwerten ist. Das schöne Gebäude ist teilweise eingestürzt.
Je weiter ich nach oben komme, umso schlechter wird die Straße. Ich liebe es. Teilweise wurde schon mit Kies ausgebessert, aber im Vergleich zum letzen Mal ist die Fahrbahn krass kaputt. Da hat der Winter ganze Arbeit geleistet.
Mein Motorrad ist mittlerweile 32 Jahre alt, das Fahrwerk stammt aus dieser Zeit und würde manchem komfortgewohnten Stollenritter die Knochen aus dem Leib prügeln. Wir beide jedoch sind wie ein altes Ehepaar, wir kennen uns und haben uns aufeinander eingestellt und auch wenn ich mal ein anderes meiner Motorräder aus der Halle hole, mit der alten XT bin ich am liebsten unterwegs.
Ich gebe ihr die Sporen und sie stampft auf wie ein wütender Stier. Wie ein bockendes Pferd springt es durch und über die Schlaglöcher, ich stehe in den Fußrasten und unterstütze das Fahrwerk, indem ich das Hinterrad in die Bodenwellen drücke. So trotzen wir den Elementen, dem heftigen Wind, dem kaputten Straßenbelag und der Physik. Es ist einer dieser Momente, die mich mit dem Motorrad zusammenwachsen lassen und ich könnte schreien vor Glück.
Als ich den höchsten Punkt erreicht habe, ist es an der Zeit, wieder vorsichtiger zu werden. Teilweise liegt hier noch Eis auf der Straße und manche wassergefüllten Schlaglöcher nehmen fast die ganze Straßenbreite ein. Wie tief das Wasser ist, muss ich nicht ausprobieren, solange ich noch außenrum komme.
Ich erreiche die Kreuzung, wo ein Schild darauf hinweist, dass der Transalpina in beide Richtungen gesperrt ist. In Richtung Süden ist das offensichtlich, denn wenige Meter nach der Kreuzung het es eine geschlossene Schneedecke.
Ich fahre bis zu der Cabana, wo ich mit Elisabeth letztes Jahr Halt gemacht habe, und ein Stück weit in die nördliche Trasse des Transalpina. Hier sieht es besser aus. Da es aber schon recht spät geworden ist und die Wolken über mir erste Tropfen fallen lassen, drehe ich um und fahre den Weg zurück, den ich gekommen bin.
Zurück bei der teilweise eingestürzten Cabana regnet es so stark, dass ich anhalte und die Regenhose überstreife. Es blitzt und donnert über mir und ich bin froh, die Passhöhe hinter mir zu haben. Immer wieder mit der Wischlippe das Visier von den Tropfen befreiend rolle ich zu Tal. Als ich in Petrosani ankomme ein Italiener vor mir, der im Schneckentempo durch die Stadt kriecht und keine Möglichkeit zu überholen. Mein Motor fängt an zu stottern, ich stelle den Benzinhahn auf Reserve.
Dann komme ich doch vorbei und raus auf die Hauptstraße. Vor einer Brücke ein Wasserloch, das ich übersehen habe, das Wasser spritzt bis an die Oberschenkel. Ich biege in die nächste Tankstelle ein und mache voll. Der Tankwart schaut mitleidig und bietet mir einen Kaffee an, den ich dankend ablehne. Dafür nutze ich vom Papier an der Säule, reinige mein Visier und nehm auch ein Stück mit für unterwegs.
Das Jiu-Tal ist eine Katastrophe, kaum Sicht und die Autos im Schneckentempo. Die Entgegenkommenden durchfahren die Wasserlöcher so, dass es mir teilweise bis zum Helm spritzt. Ich könnte überholen, bleibe wegen der schlechten Sicht dennoch hinter einem Sprinter, der mir als Pfützendetektor dient, denn hier gibt es ordentlich Wasser auf der Straße. Für die 80km Rückfahrt werde ich ganze zwei Stunden benötigen. Als ich in Bumbesti-Jiu die Hauptstraße verlasse, bin ich alleine, Mit dem Fernlicht sehe ich hier ganz gut, ich bin ja auch nicht mehr in der tiefen Schlucht des Jiu-Tales. Hunderte von Fröchen und Kröten hüpfen auf der Straße wild durcheinander, ich habe Mühe, diesen auszuweichen. Mitten im Nirgendwo eine Polizeikontrolle, der Mann in Uniform winkt mich aber gleich weiter, als er meinen Zustand sieht.
In der Pension angekommen, kommt gleich die Chefin und fragt besogt, weshalb ich so spät bin. Ich erkläre es ihr und sie fragt, wann die Oma das Essen machen soll. Ich brauche nur eine heiße Dusche, dann bin ich wieder fit, antworte ich. Heute bekomme ich ein Wunschgericht, dass die Oma tagsüber schon vorbereitet hat.
Nach der Dusche sind die Lebensgeister wieder da – zumindest bis nach dem Essen. Dann spüre ich doch, wie müde ich bin.
Bei Regenfahrten schleicht sich immer so ein Gedanke in den Kopf: Wenn Du das vorher gewusst hättest, wärst Du dann den Pass gefahren? Immer wenn ich darüber nachdenke, gelange ich zur gleichen Antwort: Ja!
Der Regen gehört einfach zum Abenteuer Motorrad dazu, denn es ist einfach eines der Elemente, denen ich mich aussetze, wenn ich auf das Motorrad steige.
Warum fahre ich so gerne Schotterwege oder schlechte Straßen? ist die zweite Frage, die mich oft beschäftigt. Hier ist die Antwort nicht ganz so einfach. Wahrscheinlich, weil ich dann das Gefühl habe, dort zu sein, wo der Tourismus noch nicht angekommen ist. Für mich hat der Begriff Tourist eine negative Assosation, es ist jemand, der im Gastland so behandelt werden will, wie er es gewohnt ist. Ich jedoch bin am liebsten einer von denen, die ich besuche.
24 Mrz 2014
Montag, 24.03.2014 Schotter und schlechte Straßen
Als ich heute Morgen aus dem Fenster sehe, is der Himmel bewölkt. An sich hatte ich vor, den Retezat-Naturpark zu erkunden. Nachdem ich gefrühstückt habe, beginnt der Himmel aufzureißen und die Sonne zeigt sich wieder. Schnell das Motorrad fertig gemacht und los.
Es geht wieder durch das Jiu-Tal mit den vielen Baustellen Richtung Petrosani. An die Ampeln hält sich hier kaum jemand. Stehen zwei, drei Autos an der Ampel, so geben die hinten kommenden Gas, überfahren die Ampeln bei rot und preschen in die Baustelle. Notfalls muß halt der Vorfahrtsberechtigte ausweichen. Krass.
Hinter einer Kurve wird gerade ein neuer Steinfangzaun an eine Felswand montiert. Während ein Kran das Drahtgeflecht hochgehievt, wird der Verkehr mittels Ampelmänner (so nenne ich die Leute, die mit einer Art Tischtennisschläger mit einer roten und grünen Seite den Verkehr regeln) in beide Richtungen gesperrt. Vor mir ein paar LKW’s und auch ein paar Autos. Als es endlich weiter geht, schert sofort eines der Autos aus und will nach vorne. Doch die Fahrzeuge stehen Stoßstange an Stoßstange und weil der LKW vorne nur langsam in Fahrt kommt, entsteht auch keine Lücke. So muss er vor dem Ampelmann auf der linken Spur anhalten, bis ihm genau sein voriger Hintermann eine Lücke lässt. Er hat also nichts gewonnen und nichts verloren.
In Cluj-Napoca war ich neulich im Feierabendverkehr unterwegs, da lieferten sich zwei Autos ein Straßenrennen und sind mit mindestens 100 km/h lückenspringend durch die Stadt gerast. Dass das nicht immer klappt, sieht man an vielen Kreuzen, die entlang der Straßen aufgestellt sind. Derzeit sehe ich mehrmals täglich Polizei, die Radar- und Alkoholkontrollen durchführen und so versuchen, dem Problem Herr zu werden.
Dem Wegweiser, der nach Vulcan zeigt, folge ich und bin wenig später in der Kohlebergbausiedlung angelangt. Auf den ersten Blick eine trostlose Stadt. Gleich, wo ich reinkomme gibt es ein Armenviertel, wo teilweise kleine Hütten, notdürftig aus Brettern zusammengezimmert und mit Plastikfolie abgedichtet neben halb verfallenen massiven Häuschen stehen. Als ich ein Bild mache, winkt mir ein Junge zu und freut sich über etwas Aufmerksamkeit.
Weiter hinten beginnt die Hauptstraße und Einkaufsmeile, hier wird einiges geboten, was der Größe der Stadt geschulded ist. Für einen Montag Vormittag sind meiner Meinung nach viele Menschen auf der Straße. Bei einer Bank nutze ich die Gelegenheit, meine Bargeldreserven aufzufüllen und finde weiter hinten eine Information, dass der Vulcan-Pass gesperrt ist. Von hier aus klappt es also nicht mit dem Retetat. So entschließe ich mich mal wieder dazu, einfach der Nase nach zu fahren.
Zuerst mache ich noch einen Schlenker durch die Stadt, die gleich neben der Hauptstraße trist und grau wird. Riesige Plattenbauten, dazwischen kein Grün und Menschen, die mich neugierig beobachten.
Ich fahre zurück auf die Hauptstraße und bin bald darauf in Petrosani, wo ich den ersten Kreisverkehr nutze, um in die Stadt einzutauchen. Ich will mir eine Brotzeit für heute kaufen und finde auch gleich einen Platz, wo mehrere kleine Läden beieinander stehen. Dort kaufe ich das größte Brot, was sie haben, ein wenig Wurst und etwas zu trinken. Als ich dieses im Koffer verstaue, beobachte ich eine junge Frau mit Kind an der Hand, die nebenan die Mülltonnen der Geschäfte nach Brauchbarem durchsucht. Das gleiche Bild dann wenig später noch in einer anderen Ecke der Stadt. Bei solchen Bildern gehen mir immer wieder die Phrasen über Armutzzuwanderung unserer Politiker durch den Kopf, die damit Stimmen sammeln wollen. De wirklich Armen haben gar nicht erst die Chance, zu uns zu kommen.
Ein Wegweiser weist auf eine Schlucht hin: Cheile Taii. Na, wenn das mal nichts für mich ist. Der Weg dahin führt durch ein paar kleine Dörfer und wechselt dann von Asphalt auf Schotter. Dann taucht die Schlucht vor mir auf und beeindruckt mich schon von weitem. Allzu lang ist die Schlucht nicht. Dort, wo sie sich wieder öffnet, steht eine Art Denkmal und rechts oben – wie ein Schwalbennest an den Fels geklebt – ist ein kleines Häuschen am Fels. Wie ich erst abends bei der Inteternetrecherche feststelle, wurde dies zum Gedenken an zu Tode gekommene Bergsteiger gebaut und Refugiul Alpiniștilor benannt. Links und rechts in den Fels sind jeweils Tunnel gehauen, ich gehe ein Stück hinein, im Schein meiner Taschenlampe sehe ich, dass diese sich verzweigen. An sich bin ich da immer neugierig, aber auch nicht leichtsinnig genug, um alleine so etwas anzugehen. Der Müll, der hier drin rumliegt, läd auch nicht gerade dazu ein. So bleibt dieses Geheimnis erstmal ungelöst.
Am Fels jede Menge Kletterhaken angebohrt und auch ein paar gelbe Linien von ganz oben bin unten, die wohl jeweils eie Route markieren.
Draußen bläst ein heftiger Wind durch die Schlucht. Hinter dem Denkmal, wo mein Motorrad steht, lässt es sich aushalten. Während ich dort Brotzeit mache, beobachte ich zwei Männer, die durch die Schlucht gehen und den Müll aufsammeln. Diesen machen sie dann so klein wie möglich und deponieren das Ganze dann in einem Container. Ich erkläre sie zu meinen Helden des Tages, denn dass ist der richtige Weg, um den Tourismus in Rumänien auf den Weg zu bringen.
Während ich so dastehe, fahren immer wieder Autos an mir vorbei. Das interesiert mich dann doch, weshalb auch ich kurze Zeit später dem Schotterweg folge. Kaum aus der Schlucht, wärmt mich der Sonnenschein. Ab und an stehen Schilder zu einer Cabana – ob die dahin wollen?
Ein paar einzelne Häuser, die auch Betten und Restaurant haben, säumen den Weg, haben auch schon etwas Patina angesetzt. Rechts oben auf einer Plattform kleine Ferienhäuschen – scheint hier eine Art Naherholungsgebiet zu sein.
Weiter hinten ein Lagerplatz mit riesigen schwarzen Rohren, wie für eine Pipeline und ein Stück weiter des Weges ein Bautrupp, der diese in den Boden eingräbt und verschweißt. Ich denke, es soll eine Wasserleitung werden, denn links von mir fließt ein Bach mit ordentlich Bums.
Ein paar Kilometer weiter oben – eine Baustelle, wo ein Betondings verschalt wird – auf der Rückfahrt sehe ich, dass dies das Fangbecken für das Wasser werden soll. Die Baubude der Arbeiter wirkt abenteuerlich.
Noch ein Stück weiter ein Holzumschlagplatz. Zwei LKW stehen hier und werden gerade mit dicken Buchenstämmen beladen. Auch hier ein alter Bauwagen, in dem ein Mann gerade Holz in einen alten Kanonenofen nachlegt. Skurril, bei uns bestenfalls im Museum zu bewundern. Auch eine Frau ist anwesend, bei so großen Holzfällerlagern ist es meist die, die das Essen für die rauhen Jungs zubereitet, damit diese bei Kräften bleiben.
Dann wird es still um mich, wenn man mal vom Rauschen des Baches absieht, der nun rechts von mir sein steiniges Bachbett durchfließt. Ich tauche ein in einen Wald und fahre stetig bergan. Mein Motorrad zeigt seine Enzylinderqualitäten, dessen Drehmoment uns in niedriger Drehzahl im zweiten Gang den Berg hinauf schiebt, begleitet von einem sonoren ‚bob-bob-bob-bob…‘
Dann passiere ich die Cabana, deren Hinweisschilder ich schon im Tal wahrgenommen habe. Der Schornstein raucht, ein paar Hunde bellen mich an. Hier tauchen zwischen den Bäumen einzelne Schneeflecken auf, die sich mit zunehmender Höhe verdichten. Bald findet sich auch auf dem Weg Schnee, dort wo die Sonne nicht hinkommt. Als der Weg komplett schneebedeckt ist, fahre ich in eine alte Spur, muss aber gleich feststellen, dass diese vereist ist, und meinem Hinterrad keinen Grip bietet. Also rolle ich zurück und probiere es am Rand, womit ich auch Erfolg habe. Ich liebe es, solche Wege zu fahren. Dann erreiche ich einen alten Holzumschlagplatz, von hier aus geht es in mehrere Richtungen einspurig weiter. Das ist der Punkt, wo richtiges Endurowandern beginnt. Ab hier sollte man aus Sicherheitsgründen zu dritt unterwegs sein. Für mich deshalb der Wendepunkt.
Zufrieden drehe ich mein Motorrad und lasse es im Leerlauf den Berg hinunterrollen. Die Schneefelder passiere ich wieder in der Spur, die ich auf der Hinfahrt gelegt habe. Als ich bei der Cabana vorbeikomme, kommt der Besitzer neugierig heraus und winkt mir zu.
Die beiden LKW’s sind weg, es wird aber am Holzlagerplatz eifrig für die nächste Ladung vorbereitet. Der Laderfahrer macht mir Platz und lässt mich passieren. Weiter unten im Tal treffe ich auf einen der LKW’s, fahre ein Stück weit in dessen Staubfahne, bis er mir ein Zeichen gibt, dass ich passieren kann. Das liebe ich an Rumänien. Man ist hier mit dem Motorrad kein Störenfried, sondern wird einfach akzeptiert.
Zurück in Petrosani merke ich, dass der Himmel sich wieder zugezogen hat. Aber ich habe vor, den Zubringer zum Transalpina zu fahren, den ich bergab schon zusammen mit Elisabeth gefahren bin. Ich muss gar nicht in die Stadt rein, finde eine Querung und bin bald auf dem richtigen Weg. Mein Herz geht auf, als ich die ersten Kurven duch die Schlucht fahre. Die Felsen sind teilweise mit Flechten bewachsen, die an einen gelben Leuchtmarker erinnern. Die Straße ist fast leer, ein Radfahrer strampelt bergan und ein paar wenige Autos kommen entgegen.
Immer wieder fantastisches zu sehen, Grund für einen Fotostopp. Mächtige Eisformationen, wo im Sommer ein Wasserfall zu sehen ist, eindrucksvolle Schluchten, die ich druchfahre.
Eine Cabana weiter oben steht noch immer zum Verkauf, hier hat der Winter aber dafür gesorgt, dass es eher als Brennholz zu verwerten ist. Das schöne Gebäude ist teilweise eingestürzt.
Je weiter ich nach oben komme, umso schlechter wird die Straße. Ich liebe es. Teilweise wurde schon mit Kies ausgebessert, aber im Vergleich zum letzen Mal ist die Fahrbahn krass kaputt. Da hat der Winter ganze Arbeit geleistet.
Mein Motorrad ist mittlerweile 32 Jahre alt, das Fahrwerk stammt aus dieser Zeit und würde manchem komfortgewohnten Stollenritter die Knochen aus dem Leib prügeln. Wir beide jedoch sind wie ein altes Ehepaar, wir kennen uns und haben uns aufeinander eingestellt und auch wenn ich mal ein anderes meiner Motorräder aus der Halle hole, mit der alten XT bin ich am liebsten unterwegs.
Ich gebe ihr die Sporen und sie stampft auf wie ein wütender Stier. Wie ein bockendes Pferd springt es durch und über die Schlaglöcher, ich stehe in den Fußrasten und unterstütze das Fahrwerk, indem ich das Hinterrad in die Bodenwellen drücke. So trotzen wir den Elementen, dem heftigen Wind, dem kaputten Straßenbelag und der Physik. Es ist einer dieser Momente, die mich mit dem Motorrad zusammenwachsen lassen und ich könnte schreien vor Glück.
Als ich den höchsten Punkt erreicht habe, ist es an der Zeit, wieder vorsichtiger zu werden. Teilweise liegt hier noch Eis auf der Straße und manche wassergefüllten Schlaglöcher nehmen fast die ganze Straßenbreite ein. Wie tief das Wasser ist, muss ich nicht ausprobieren, solange ich noch außenrum komme.
Ich erreiche die Kreuzung, wo ein Schild darauf hinweist, dass der Transalpina in beide Richtungen gesperrt ist. In Richtung Süden ist das offensichtlich, denn wenige Meter nach der Kreuzung het es eine geschlossene Schneedecke.
Ich fahre bis zu der Cabana, wo ich mit Elisabeth letztes Jahr Halt gemacht habe, und ein Stück weit in die nördliche Trasse des Transalpina. Hier sieht es besser aus. Da es aber schon recht spät geworden ist und die Wolken über mir erste Tropfen fallen lassen, drehe ich um und fahre den Weg zurück, den ich gekommen bin.
Zurück bei der teilweise eingestürzten Cabana regnet es so stark, dass ich anhalte und die Regenhose überstreife. Es blitzt und donnert über mir und ich bin froh, die Passhöhe hinter mir zu haben. Immer wieder mit der Wischlippe das Visier von den Tropfen befreiend rolle ich zu Tal. Als ich in Petrosani ankomme ein Italiener vor mir, der im Schneckentempo durch die Stadt kriecht und keine Möglichkeit zu überholen. Mein Motor fängt an zu stottern, ich stelle den Benzinhahn auf Reserve.
Dann komme ich doch vorbei und raus auf die Hauptstraße. Vor einer Brücke ein Wasserloch, das ich übersehen habe, das Wasser spritzt bis an die Oberschenkel. Ich biege in die nächste Tankstelle ein und mache voll. Der Tankwart schaut mitleidig und bietet mir einen Kaffee an, den ich dankend ablehne. Dafür nutze ich vom Papier an der Säule, reinige mein Visier und nehm auch ein Stück mit für unterwegs.
Das Jiu-Tal ist eine Katastrophe, kaum Sicht und die Autos im Schneckentempo. Die Entgegenkommenden durchfahren die Wasserlöcher so, dass es mir teilweise bis zum Helm spritzt. Ich könnte überholen, bleibe wegen der schlechten Sicht dennoch hinter einem Sprinter, der mir als Pfützendetektor dient, denn hier gibt es ordentlich Wasser auf der Straße. Für die 80km Rückfahrt werde ich ganze zwei Stunden benötigen. Als ich in Bumbesti-Jiu die Hauptstraße verlasse, bin ich alleine, Mit dem Fernlicht sehe ich hier ganz gut, ich bin ja auch nicht mehr in der tiefen Schlucht des Jiu-Tales. Hunderte von Fröchen und Kröten hüpfen auf der Straße wild durcheinander, ich habe Mühe, diesen auszuweichen. Mitten im Nirgendwo eine Polizeikontrolle, der Mann in Uniform winkt mich aber gleich weiter, als er meinen Zustand sieht.
In der Pension angekommen, kommt gleich die Chefin und fragt besogt, weshalb ich so spät bin. Ich erkläre es ihr und sie fragt, wann die Oma das Essen machen soll. Ich brauche nur eine heiße Dusche, dann bin ich wieder fit, antworte ich. Heute bekomme ich ein Wunschgericht, dass die Oma tagsüber schon vorbereitet hat.
Nach der Dusche sind die Lebensgeister wieder da – zumindest bis nach dem Essen. Dann spüre ich doch, wie müde ich bin.
Bei Regenfahrten schleicht sich immer so ein Gedanke in den Kopf: Wenn Du das vorher gewusst hättest, wärst Du dann den Pass gefahren? Immer wenn ich darüber nachdenke, gelange ich zur gleichen Antwort: Ja!
Der Regen gehört einfach zum Abenteuer Motorrad dazu, denn es ist einfach eines der Elemente, denen ich mich aussetze, wenn ich auf das Motorrad steige.
Warum fahre ich so gerne Schotterwege oder schlechte Straßen? ist die zweite Frage, die mich oft beschäftigt. Hier ist die Antwort nicht ganz so einfach. Wahrscheinlich, weil ich dann das Gefühl habe, dort zu sein, wo der Tourismus noch nicht angekommen ist. Für mich hat der Begriff Tourist eine negative Assosation, es ist jemand, der im Gastland so behandelt werden will, wie er es gewohnt ist. Ich jedoch bin am liebsten einer von denen, die ich besuche.