Mein Wecker klingelt um 7:00 Uhr rumänischer Zeit. Ich nutze die Schlummertaste um noch ein paar Minuten Schlaf zu erhaschen. Viel bringt das natürlich nicht. Ich dusche und frühstücke dann ganz alleine in der Liegenschaft. Dann kabe ich Kontakt mit Elisabeth und auch draßen tut sich was. Die Küchen-Crew ist angekommen und einer der alten herren bringt ein paar Flaschen Milch vorbei. An sich wollte ich die XT abladen und mit ihr nach Timișoara. Aber es regnet ein wenig, deshalb lasse ich es sein und schiebe den Hänger zur Seite, um das Auto rauszufahren. Kaum habe ich das Tor aufgeschoben, kommt mir schon Adam entgegen und wünscht mir einen guten Morgen. Wir sprechen uns kurz ab, dann mache ich mich auf den Weg. An der ersten ROMPetrol-Tanke halte ich an um endlich die Rovignetta zu kaufen. Diesmal klappt es auch problemlos – sowohl was meine Sprachkenntnisse betrifft als auch mit der Vignette.
Der Kindergarten liegt auf meiner Seite vom Stadtrand, weshalb ich auch nur ein paar Minuten brauche, um von der Tankstelle in die richtige Straße zu kommen. Man muss quasi von hinten anfahren und da habe ich bisher immer zwei Anläufe benötigt. Diesmal klappt es aufs erste Mal, nicht zuletzt, weil neuerdings Wegweiser zur Kirche angebracht sind, in deren Hof ich immer parke.
Ich packe die Süßigkeiten, die Elisabeth mir mitgegeben hat in eine Tasche und betrete den Kindergarten. Aus zwei der drei Räume hört man Kinderstimmen, ich entscheide mich für den hinteren, weil dort die Tür nur angelehnt ist. Gerade als ich zur Klinke greifen will, kommt Lucretia heraus und schaut mich erstmal verdutzt an. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie begreift und ihre Sprachlosigkeit in Freude umschlägt. Sie drückt und begrüßt mich überschwänglich und bittet mich in den Raum. Dann eilt sie gleich nach vorne um Cornelia Bescheid zu geben. Als sie zurückkommt, fragt sie, ob Mira von meinem Besuch weiß. Als ich verneine, greift sie zum Handy und wählt die Nummer. Sie bekommt ein Besetztzeichen, denn nebenan hatte Cornelia die gleiche Idee.
Dann kommt auch sie hereingestürmt und begrüßt mich. Man spürt, dass die Freude der Beiden echt ist, das ich immer willkommen bin, auch wenn ich – wie diesesmal – ohne Hilfsgüter voreikomme.
Der Kindergartenbetrieb muss weitergehen, so setze ich mich erstmal auf einen Kinderstuhl und schaue zu. Die Gruppe von Lucretia bereitet sich auf einen großen Tag morgen vor: der 8.März ist in Rumänien ein Frauentag. So etwas wie Muttertag, nur für alle Frauen. Da bekommen sie von den Kindern und/oder Partnern Blumen und Liebesbezeugungen. Jetzt ist mir auch klar, weshalb ich in Biled und auf dem Weg hierher so viele Blumenstände gesehen habe.
Während die Kinder ein Lied einüben hat Cornelia ihre Gruppe an die Praktikantin Ema abgegeben und kümmert sich um mein leibliches Wohl. Ich soll unbedingt etwas trinken, wir einigen uns auf einen Pfefferminztee. Den von mir bevorzugten Schwarzen Tee gibt es im Kindergarten logischerweise nicht.
Die Kinder werden einzeln nach vorne gebeten und sagen mit Unterstützung von Lucretia ihr Gedicht auf. Offenbar hat jedes Kind ein eigenes – auch wenn ich nicht alles verstehe. Es folgt eine Art Biologieunterricht, indem Lucretia erst ein paar Blumensorten aufzählt, dann zu einer von mehreren Blumen auf einem Seitentisch greift und mit den Kindern die Eigenschaften bespricht – wie man zum Beispiel erkennt, dass diese Blume zu den Tulpengewächsen gehört (an der Zwiebel)…
Dann taucht auch Miras Kopf in der Tür auf und ich werde gebeten, in den freien Raum zu wechseln, damit wir uns in Ruhe unterhalten können. Dort begrüßt mich auch Mira ausgiebig und wir kommen ins Gespräch. der Komfort, Mira als Übersetzerin dabeizuhaben ist unbezahlbar. Das Gespräch vertieft sich und wird bald sehr persönlich. Ich erfahre einiges über die Rolle der Frau in Rumänien. Möglich, dass das in der jungen Generation nicht mehr ganz so ausgeprägt ist, aber es zeigt mir auf, wie sehr die Frauen in Deutschland den hiesigen voraus sind.
Cornelia will mir immer wieder klar machen, was ich für ein besonderer Mensch für sie bin – mir gefällt diese Rolle nicht und ich versuche ihr das auszureden. Dass ich einfach mal vorbeikomme, nur um mich mit ihnen zu treffen und ohne dass ich etwas von Ihnen erwarte, das kennt sie so nicht, meint sie.
Natürlich hat sie meine Absicht durchschaut, dass ich unangemeldet vorbeigekommen bin, damit sie nicht wieder die Tische bis zum Bersten voll mit Lebensmitteln für mich herrichten. Sie freuen sich doch, wenn sie mir so ihre Gastfreundschaft zeigen können, meint sie.
Ich lenke das Gespräch zurück auf ein anderes Thema und werde natürlich auch gefragt, weshalb Elisabeth nicht dabei ist. Nachdem ich darüber Ausunft gegeben habe, drückt Cornelia ihre Bewunderung gegenüber Elisabeth aus – dass sie sich traut, zu reisen. Das ist für rumänische Frauen eher unüblich, meint sie.
Ich hake ein und frage, wann Cornelia uns denn einmal in München besuchen kommt. Das wäre so ein ferner Traum, dass sie noch nie gewagt hat, daran zu denken, übersetzt Mira die Antwort.
So geht es ein wenig hin und her, ich vertiefe meine Einladung und sage ihr, dass dieser Traum kein Traum bleiben muss, sondern sofort Wirklichkeit wird, wenn sie in den Zug einsteigt.
Mira erlebt eine Cornelia, die sie so bisher nicht kannte und bietet an, das Ganze mit zu organisieren und wenig später sagt Cornelia zu und weint vor Freude. Das Gespräch wird noch intensiver und vertrauter, das gehört aber nicht ins Netz.
Kurz vor Mittag muss sich Mira wieder verabschieden. Ich unterhalte mich mit Cornelia weiter in Englisch und frage auch nach Cora, der früheren Praktikantin. Sie erzählt mir, dass diese eine andere Stelle hat, weil der Kindergarten keine drei Vollzeitkräfte finanzieren kann. Dann verschwindet sie kurz und kommt mit Ema – der derzeitigen Praktikantin zurück. Die studiert eigentlich Englisch und Französisch fürs Lehrfach.
Nach und nach holen die Eltern ihre Kinder ab und auch für mich wird es Zeit, mich zu verabschieden. Das dauert wie immer einige Zeit, immer wieder werde ich gedrückt und bekomme gute Wünsche für die Reise mit – und den mehr oder weniger festen Auftrag – auf dem Rückweg nach Hause nochmal vorbeizukommen, weil die drei Frauen einen Tag zusammen mit mir unterwegs sein wollen. Mal sehen, wohin es mich die nächsten Tage treibt.
Erstmal etwas essen – ich entscheide mich für die Julius-Mall wegen der dort verfügbaren Parkplätze – und das war eine gute Entscheidung, denn selbst um die Mall sind alle Plätze belegt. Während die Anderen hektisch umherfahren, setze ich auf eine andere Taktik, stelle mich in einen Parkstreifen und warte. Die Taktik geht auf, keine 5 Minuten später fährt jemand weg und ich habe einen Parkplatz.
Ich entscheide mich hier meist gegen meine Gewohnheit, möglichst landestypisch zu essen und nehme Spareribs – die Insinder wissen warum 😉
Während ich am Essen bin, kommen mehrere Personen mit Papanasi an Vanilleeis an mir vorbei – von der Größe vergleichbar mit einem Marmorkuchen. Ich weiß nicht wer so eine Portion schafft, ich wäre vermutlich nach nichtmal der Hälfte schon papp(anasi)satt.
Dann kommt die erste Sprachprüfung für heute. Ich will mir eine Daten-PrePaid-Karte fürs Notebook kaufen. Da der Verkäufer nicht nachfragen musste und ich bei seinen Auführungen nur zweimal, hake ich das mal als Erfolg ab 😉
Ich rufe Sergio an, wir wollen und, wenn möglich, treffen. er ist gerade in Arad, kommt aber zum Abend hin zurück. So entscheide ich mich, derweil in Timisoara zu bleiben und die Stadt auf mich wirken zu lassen. Gleich neben der Mall steht ein altes Betonwerk, dass schon teilweise abgerissen wurde. Ich gehe drauf zu, um ein paar Fotos zu machen. Dabei entdecke ich, dass ein Zaunsegment ausgehängt ist – wenn das mal keine Einladung ist 😉
Eine gute Stunde verbringe ich auf dem Grundstück und finde ein paar schöne Motive. Ich finde auch jede Menge Pfotenabdrücke von Hunden. Deren Verursacher sind glücklicherweise gerade abwesend 😉
Nebenan wird eine Gazprom-Tanke gebaut. Die Zapfsäule finde ich interessant und zücke die Kamera. Im Nu steht ein Mann vom Sicherheitsdienst neben mir und fragt, was ich vorhabe. Ich sage ihm, ich will nur fotografieren. Er meint, ich soll kurz warten, weiß aber dann doch nicht, was er mit mir anfangen soll und als ich ihm sage, dass ich fertig bin, und gehen möchte, atmet er auf und lässt mich ziehen.
2012 haben Elisabeth und ich eine ganz spezielle Führung durch Timisoara von unseren Freunden Roswitha und Adam bekommen – mit dem Motto: Vom Mittelalter in die Moderne.
Daran erinnere ich mich oft, und weil ich ja bei der Julius-Mall parke (einer der modernsten Einkaufszentren in ganz Europa) mache ich mich auf die Suche nach Kontrasten. Ich muss auch nicht lange suchen – kaum 70m Luftlinie entfernt gehe ich durch eine Straße, links davon die Bahnlinie und rechts alte, marode Gebäude. Teils kommerziell genutzt, teilweise sind es Wohnungen. Ein paar Hunde blicken mir gelangweilt nach, bellen oder gar aufstehen lohnt nicht. Ein Stück weiter vorne läuft einen alte Frau emsig hin und her und hängt nasse Kleidung über die Büsche. Zwischen den geparkten Autos hat sie ein kleines Lagerfeuer entfacht, auf dem zwei Konserven stehen, in denen irgendetwas undefinierbares – lakritzeähnliches brodelt. Ein paar gekochte Kartoffelschalen neben ihr am Boden werden von Tauben belagert. Ich grüße, sie murmelt etwas, nimmt mich aber gar nicht richtig wahr.
Ich gehe die Straße bis zum Ende, dort stehen sozialistische Plattenbauten. Ein kleiner, teils zugewucherter Sandkasten zeugt davon, dass neben marodem Gemäuer auch junge Menschen zugegen sind. Die Straße endet an einem Haus, ich drehe um und gehe zurück. Als ich wieder bei der Frau vorbeikomme, ist das bisschen Holz verbrannt, sie legt umherliegenden Plastikmüll nach. Nebenan ist ein Restpostenladen, ich sehe ein paar Konserven in der Auslage. Ohne lange zu überlegen, betrete ich den Laden und suche nach Essbarem. Jede Menge Klamotten, Haushaltswaren und Krimskrams füllen den Laden, aber hinten in der Ecke werde ich fündig. Ich nehme ein paar große Wasserflaschen und einige von den Konserven, die sich ohne Werkzeug öffnen lassen und gehe damit zur Kasse. Dann bringe ich die Sachen der alten Frau, die mich erstmal etwas verdutzt anschaut. Ich sage ihr, sie soll lieber das essen als da, was sie auf dem Feuer hat. Sie meint das wären Portocale – Orangen. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Vielmehr vermute ich, sie kocht Orangenschalen aus. Eine der Wasserflaschen reicht sie mir zurück – Du musst auch was trinken, meint sie. Ich habe genug, antworte ich und gebe ihr die Flasche wieder zurück. Sie inspiziert die Dosen, holt eine mit großen gelben Erbsen hervor und öffnet mit dem Essgeschirr-Messer in ihrer Hand den Pull-Verschluss. In einem schnellen Ritual tunkt sie den Zeigefinger in die Soße und berührt damit verschiedene Stellen in ihrem Gesicht. Dann gießt sie einen Teil der Flüssigkeit in einem Bogen auf den Boden, bevor sie mit dem Messer ein paar Erbsen herausfischt und in den Mund schiebt. Sie zeigt mir einen Fuß und ein Handgelenk – ich verstehe aber nicht, weshalb. Ich frage, ob ich sie fotografieren darf, sie nickt zustimmend. Zu meiner Freude stellt sie sich nicht in Pose, wie es sonst oft passiert, sondern wuselt weiter hin und her, als wäre ich gar nicht vorhanden. Es ist schwierig, sie überhaupt aufs Bild zu bekommen.
Ich verabschiede mich von ihr und gehe gedankenversunken zurück zum Auto.
Es ist 17:30, als ich dort ankomme. Ich rufe bei Sergio an, er sagt, ich solle zur Oper kommen, dort gäbe es auch einen Parkplatz. Kein Problem – denke ich. Leider ist die halbe Stadt aufgegraben und mein Navi mit der Situation überfordert. Aber ich war schon öfter hier und finde im zweiten Anlauf dann auch ohne Navi-Unterstützung zum Parkplatz.
Sergio sitzt im Cafe vor dem Hotel Timisoara und winkt mir zu. Wir wechseln ein paar Worte, dann zahlt er und wir gehen in ein anderes Lokal. Dort empfiehlt mir Sergio aus dem Angebot und besteht darauf, mich einzuladen.
Während wir die Köstlichkeiten verspeisen (ich muss dabei an die Frau von vorhin denken), vertiefen wir unser Gespräch und ehe wir uns versehen – haben wir wieder mal ein gemeinsames Projekt generiert.
Wir waren uns schon bei der ersten Begegnung 2006 symphatisch und verstehen uns einfach super. Ich denke, das liegt daran, dass wir ähnliche ‚Flausen‘ im Kopf haben ;).
Schnell vergeht die Zeit, vier Stunden später verabschieden wir uns. Ich versuche mich noch an ein paar Nachtaufnahmen, dann gehe ich zurück zum Auto und fahre nach Biled, wo ich noch immer der einzige Bewohner des Forums bin. Der Regen, der bei meiner Abfahrt in Timisoara eingesetzt hat, lockt enige Frösche und Kröten aus ihren Verstecken in den Hof des Forums.
7 Mrz 2014
Freitag, 07.03.2014 Timișoara
Mein Wecker klingelt um 7:00 Uhr rumänischer Zeit. Ich nutze die Schlummertaste um noch ein paar Minuten Schlaf zu erhaschen. Viel bringt das natürlich nicht. Ich dusche und frühstücke dann ganz alleine in der Liegenschaft. Dann kabe ich Kontakt mit Elisabeth und auch draßen tut sich was. Die Küchen-Crew ist angekommen und einer der alten herren bringt ein paar Flaschen Milch vorbei. An sich wollte ich die XT abladen und mit ihr nach Timișoara. Aber es regnet ein wenig, deshalb lasse ich es sein und schiebe den Hänger zur Seite, um das Auto rauszufahren. Kaum habe ich das Tor aufgeschoben, kommt mir schon Adam entgegen und wünscht mir einen guten Morgen. Wir sprechen uns kurz ab, dann mache ich mich auf den Weg. An der ersten ROMPetrol-Tanke halte ich an um endlich die Rovignetta zu kaufen. Diesmal klappt es auch problemlos – sowohl was meine Sprachkenntnisse betrifft als auch mit der Vignette.
Der Kindergarten liegt auf meiner Seite vom Stadtrand, weshalb ich auch nur ein paar Minuten brauche, um von der Tankstelle in die richtige Straße zu kommen. Man muss quasi von hinten anfahren und da habe ich bisher immer zwei Anläufe benötigt. Diesmal klappt es aufs erste Mal, nicht zuletzt, weil neuerdings Wegweiser zur Kirche angebracht sind, in deren Hof ich immer parke.
Ich packe die Süßigkeiten, die Elisabeth mir mitgegeben hat in eine Tasche und betrete den Kindergarten. Aus zwei der drei Räume hört man Kinderstimmen, ich entscheide mich für den hinteren, weil dort die Tür nur angelehnt ist. Gerade als ich zur Klinke greifen will, kommt Lucretia heraus und schaut mich erstmal verdutzt an. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie begreift und ihre Sprachlosigkeit in Freude umschlägt. Sie drückt und begrüßt mich überschwänglich und bittet mich in den Raum. Dann eilt sie gleich nach vorne um Cornelia Bescheid zu geben. Als sie zurückkommt, fragt sie, ob Mira von meinem Besuch weiß. Als ich verneine, greift sie zum Handy und wählt die Nummer. Sie bekommt ein Besetztzeichen, denn nebenan hatte Cornelia die gleiche Idee.
Dann kommt auch sie hereingestürmt und begrüßt mich. Man spürt, dass die Freude der Beiden echt ist, das ich immer willkommen bin, auch wenn ich – wie diesesmal – ohne Hilfsgüter voreikomme.
Der Kindergartenbetrieb muss weitergehen, so setze ich mich erstmal auf einen Kinderstuhl und schaue zu. Die Gruppe von Lucretia bereitet sich auf einen großen Tag morgen vor: der 8.März ist in Rumänien ein Frauentag. So etwas wie Muttertag, nur für alle Frauen. Da bekommen sie von den Kindern und/oder Partnern Blumen und Liebesbezeugungen. Jetzt ist mir auch klar, weshalb ich in Biled und auf dem Weg hierher so viele Blumenstände gesehen habe.
Während die Kinder ein Lied einüben hat Cornelia ihre Gruppe an die Praktikantin Ema abgegeben und kümmert sich um mein leibliches Wohl. Ich soll unbedingt etwas trinken, wir einigen uns auf einen Pfefferminztee. Den von mir bevorzugten Schwarzen Tee gibt es im Kindergarten logischerweise nicht.
Die Kinder werden einzeln nach vorne gebeten und sagen mit Unterstützung von Lucretia ihr Gedicht auf. Offenbar hat jedes Kind ein eigenes – auch wenn ich nicht alles verstehe. Es folgt eine Art Biologieunterricht, indem Lucretia erst ein paar Blumensorten aufzählt, dann zu einer von mehreren Blumen auf einem Seitentisch greift und mit den Kindern die Eigenschaften bespricht – wie man zum Beispiel erkennt, dass diese Blume zu den Tulpengewächsen gehört (an der Zwiebel)…
Dann taucht auch Miras Kopf in der Tür auf und ich werde gebeten, in den freien Raum zu wechseln, damit wir uns in Ruhe unterhalten können. Dort begrüßt mich auch Mira ausgiebig und wir kommen ins Gespräch. der Komfort, Mira als Übersetzerin dabeizuhaben ist unbezahlbar. Das Gespräch vertieft sich und wird bald sehr persönlich. Ich erfahre einiges über die Rolle der Frau in Rumänien. Möglich, dass das in der jungen Generation nicht mehr ganz so ausgeprägt ist, aber es zeigt mir auf, wie sehr die Frauen in Deutschland den hiesigen voraus sind.
Cornelia will mir immer wieder klar machen, was ich für ein besonderer Mensch für sie bin – mir gefällt diese Rolle nicht und ich versuche ihr das auszureden. Dass ich einfach mal vorbeikomme, nur um mich mit ihnen zu treffen und ohne dass ich etwas von Ihnen erwarte, das kennt sie so nicht, meint sie.
Natürlich hat sie meine Absicht durchschaut, dass ich unangemeldet vorbeigekommen bin, damit sie nicht wieder die Tische bis zum Bersten voll mit Lebensmitteln für mich herrichten. Sie freuen sich doch, wenn sie mir so ihre Gastfreundschaft zeigen können, meint sie.
Ich lenke das Gespräch zurück auf ein anderes Thema und werde natürlich auch gefragt, weshalb Elisabeth nicht dabei ist. Nachdem ich darüber Ausunft gegeben habe, drückt Cornelia ihre Bewunderung gegenüber Elisabeth aus – dass sie sich traut, zu reisen. Das ist für rumänische Frauen eher unüblich, meint sie.
Ich hake ein und frage, wann Cornelia uns denn einmal in München besuchen kommt. Das wäre so ein ferner Traum, dass sie noch nie gewagt hat, daran zu denken, übersetzt Mira die Antwort.
So geht es ein wenig hin und her, ich vertiefe meine Einladung und sage ihr, dass dieser Traum kein Traum bleiben muss, sondern sofort Wirklichkeit wird, wenn sie in den Zug einsteigt.
Mira erlebt eine Cornelia, die sie so bisher nicht kannte und bietet an, das Ganze mit zu organisieren und wenig später sagt Cornelia zu und weint vor Freude. Das Gespräch wird noch intensiver und vertrauter, das gehört aber nicht ins Netz.
Kurz vor Mittag muss sich Mira wieder verabschieden. Ich unterhalte mich mit Cornelia weiter in Englisch und frage auch nach Cora, der früheren Praktikantin. Sie erzählt mir, dass diese eine andere Stelle hat, weil der Kindergarten keine drei Vollzeitkräfte finanzieren kann. Dann verschwindet sie kurz und kommt mit Ema – der derzeitigen Praktikantin zurück. Die studiert eigentlich Englisch und Französisch fürs Lehrfach.
Nach und nach holen die Eltern ihre Kinder ab und auch für mich wird es Zeit, mich zu verabschieden. Das dauert wie immer einige Zeit, immer wieder werde ich gedrückt und bekomme gute Wünsche für die Reise mit – und den mehr oder weniger festen Auftrag – auf dem Rückweg nach Hause nochmal vorbeizukommen, weil die drei Frauen einen Tag zusammen mit mir unterwegs sein wollen. Mal sehen, wohin es mich die nächsten Tage treibt.
Erstmal etwas essen – ich entscheide mich für die Julius-Mall wegen der dort verfügbaren Parkplätze – und das war eine gute Entscheidung, denn selbst um die Mall sind alle Plätze belegt. Während die Anderen hektisch umherfahren, setze ich auf eine andere Taktik, stelle mich in einen Parkstreifen und warte. Die Taktik geht auf, keine 5 Minuten später fährt jemand weg und ich habe einen Parkplatz.
Ich entscheide mich hier meist gegen meine Gewohnheit, möglichst landestypisch zu essen und nehme Spareribs – die Insinder wissen warum 😉
Während ich am Essen bin, kommen mehrere Personen mit Papanasi an Vanilleeis an mir vorbei – von der Größe vergleichbar mit einem Marmorkuchen. Ich weiß nicht wer so eine Portion schafft, ich wäre vermutlich nach nichtmal der Hälfte schon papp(anasi)satt.
Dann kommt die erste Sprachprüfung für heute. Ich will mir eine Daten-PrePaid-Karte fürs Notebook kaufen. Da der Verkäufer nicht nachfragen musste und ich bei seinen Auführungen nur zweimal, hake ich das mal als Erfolg ab 😉
Ich rufe Sergio an, wir wollen und, wenn möglich, treffen. er ist gerade in Arad, kommt aber zum Abend hin zurück. So entscheide ich mich, derweil in Timisoara zu bleiben und die Stadt auf mich wirken zu lassen. Gleich neben der Mall steht ein altes Betonwerk, dass schon teilweise abgerissen wurde. Ich gehe drauf zu, um ein paar Fotos zu machen. Dabei entdecke ich, dass ein Zaunsegment ausgehängt ist – wenn das mal keine Einladung ist 😉
Eine gute Stunde verbringe ich auf dem Grundstück und finde ein paar schöne Motive. Ich finde auch jede Menge Pfotenabdrücke von Hunden. Deren Verursacher sind glücklicherweise gerade abwesend 😉
Nebenan wird eine Gazprom-Tanke gebaut. Die Zapfsäule finde ich interessant und zücke die Kamera. Im Nu steht ein Mann vom Sicherheitsdienst neben mir und fragt, was ich vorhabe. Ich sage ihm, ich will nur fotografieren. Er meint, ich soll kurz warten, weiß aber dann doch nicht, was er mit mir anfangen soll und als ich ihm sage, dass ich fertig bin, und gehen möchte, atmet er auf und lässt mich ziehen.
2012 haben Elisabeth und ich eine ganz spezielle Führung durch Timisoara von unseren Freunden Roswitha und Adam bekommen – mit dem Motto: Vom Mittelalter in die Moderne.
Daran erinnere ich mich oft, und weil ich ja bei der Julius-Mall parke (einer der modernsten Einkaufszentren in ganz Europa) mache ich mich auf die Suche nach Kontrasten. Ich muss auch nicht lange suchen – kaum 70m Luftlinie entfernt gehe ich durch eine Straße, links davon die Bahnlinie und rechts alte, marode Gebäude. Teils kommerziell genutzt, teilweise sind es Wohnungen. Ein paar Hunde blicken mir gelangweilt nach, bellen oder gar aufstehen lohnt nicht. Ein Stück weiter vorne läuft einen alte Frau emsig hin und her und hängt nasse Kleidung über die Büsche. Zwischen den geparkten Autos hat sie ein kleines Lagerfeuer entfacht, auf dem zwei Konserven stehen, in denen irgendetwas undefinierbares – lakritzeähnliches brodelt. Ein paar gekochte Kartoffelschalen neben ihr am Boden werden von Tauben belagert. Ich grüße, sie murmelt etwas, nimmt mich aber gar nicht richtig wahr.
Ich gehe die Straße bis zum Ende, dort stehen sozialistische Plattenbauten. Ein kleiner, teils zugewucherter Sandkasten zeugt davon, dass neben marodem Gemäuer auch junge Menschen zugegen sind. Die Straße endet an einem Haus, ich drehe um und gehe zurück. Als ich wieder bei der Frau vorbeikomme, ist das bisschen Holz verbrannt, sie legt umherliegenden Plastikmüll nach. Nebenan ist ein Restpostenladen, ich sehe ein paar Konserven in der Auslage. Ohne lange zu überlegen, betrete ich den Laden und suche nach Essbarem. Jede Menge Klamotten, Haushaltswaren und Krimskrams füllen den Laden, aber hinten in der Ecke werde ich fündig. Ich nehme ein paar große Wasserflaschen und einige von den Konserven, die sich ohne Werkzeug öffnen lassen und gehe damit zur Kasse. Dann bringe ich die Sachen der alten Frau, die mich erstmal etwas verdutzt anschaut. Ich sage ihr, sie soll lieber das essen als da, was sie auf dem Feuer hat. Sie meint das wären Portocale – Orangen. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Vielmehr vermute ich, sie kocht Orangenschalen aus. Eine der Wasserflaschen reicht sie mir zurück – Du musst auch was trinken, meint sie. Ich habe genug, antworte ich und gebe ihr die Flasche wieder zurück. Sie inspiziert die Dosen, holt eine mit großen gelben Erbsen hervor und öffnet mit dem Essgeschirr-Messer in ihrer Hand den Pull-Verschluss. In einem schnellen Ritual tunkt sie den Zeigefinger in die Soße und berührt damit verschiedene Stellen in ihrem Gesicht. Dann gießt sie einen Teil der Flüssigkeit in einem Bogen auf den Boden, bevor sie mit dem Messer ein paar Erbsen herausfischt und in den Mund schiebt. Sie zeigt mir einen Fuß und ein Handgelenk – ich verstehe aber nicht, weshalb. Ich frage, ob ich sie fotografieren darf, sie nickt zustimmend. Zu meiner Freude stellt sie sich nicht in Pose, wie es sonst oft passiert, sondern wuselt weiter hin und her, als wäre ich gar nicht vorhanden. Es ist schwierig, sie überhaupt aufs Bild zu bekommen.
Ich verabschiede mich von ihr und gehe gedankenversunken zurück zum Auto.
Es ist 17:30, als ich dort ankomme. Ich rufe bei Sergio an, er sagt, ich solle zur Oper kommen, dort gäbe es auch einen Parkplatz. Kein Problem – denke ich. Leider ist die halbe Stadt aufgegraben und mein Navi mit der Situation überfordert. Aber ich war schon öfter hier und finde im zweiten Anlauf dann auch ohne Navi-Unterstützung zum Parkplatz.
Sergio sitzt im Cafe vor dem Hotel Timisoara und winkt mir zu. Wir wechseln ein paar Worte, dann zahlt er und wir gehen in ein anderes Lokal. Dort empfiehlt mir Sergio aus dem Angebot und besteht darauf, mich einzuladen.
Während wir die Köstlichkeiten verspeisen (ich muss dabei an die Frau von vorhin denken), vertiefen wir unser Gespräch und ehe wir uns versehen – haben wir wieder mal ein gemeinsames Projekt generiert.
Wir waren uns schon bei der ersten Begegnung 2006 symphatisch und verstehen uns einfach super. Ich denke, das liegt daran, dass wir ähnliche ‚Flausen‘ im Kopf haben ;).
Schnell vergeht die Zeit, vier Stunden später verabschieden wir uns. Ich versuche mich noch an ein paar Nachtaufnahmen, dann gehe ich zurück zum Auto und fahre nach Biled, wo ich noch immer der einzige Bewohner des Forums bin. Der Regen, der bei meiner Abfahrt in Timisoara eingesetzt hat, lockt enige Frösche und Kröten aus ihren Verstecken in den Hof des Forums.