Montag, 18.05.2015 über Alba Julia nach Brebu Nou

1 PS auf der Straße, 120PS auf dem Hänger
1 PS auf der Straße, 120PS auf dem Hänger

Der heutige Tag begrüßt uns mit blauem Himmel. Nach dem Duschen erstmal Frühstück. Zum letzten Mal im Knast, Zeit, um Abschied zu nehmen, denn heute wechseln wir in den Südwesten Rumäniens, vom südwestlichen Rand des Karpatenbogens hin zu den Bergen in das Semenic-Gebirge. Unser Zimmerwirt ist nicht zu sehen, die Hochzeitsfeier fordert ihren Tribut. Nach dem Frühstück packen wir, und bringen die Sachen ins Auto. Ich kupple den Hänger an, verlade die beiden Motorräder und rangiere mein Gespann dann in eine Seitenstraße, damit auch Jürgen sein Gespann beladen kann. Neugierige Blicke aus der Nachbarschaft. Nebenan ist ein kleines Magazin, von wo auch schon die letzten Tage unsere Ankunft mit witzigen Ansagen der meist männlichen Kundschaft kommentiert wurde. Ein kleiner Hund tappst neugierig um uns herum und bekommt von Marion ein wenig Brot. Die Hundetherapie zeigt schon erste Wirkung 😉

Freundschaft schließen
Freundschaft schließen

Es ist für unsere Verhältnisse warm, obwohl der Zimmerwirt gestern meinte, für kurze Hosen ist es noch viel zu früh. Wir sind ordentlich am Schwitzen. Jürgens Kommentar: ‚Meine Augenbrauen sind viel zu klein, für das, was ich schwitze‚. Ich erwidere: ‚Frag doch mal den Waigel, ob er Dir seine ausleiht‚. Maren tupft ihm mit einem Taschentuch die Stirn ab, während er die Moppeds verzurrt. Wir sind mittlerweile zu einer tollen Truppe zusammengewachsen, jeder weiß, wo er anpacken muss und auch der Spaß kommt dabei nicht zu kurz. Rebecca zückt ihr Messer und schneidet von den Spanngurten die Etiketten mit den Zugfestigkeitsangeben ab, wird aber gleich von Jürgen gemaßregelt, dass die durchaus ihre Bedeutung haben. Ein Pferdegespann klappert die Straße herauf, Gelegenheit für ein Bild der Gegensätze: 1 PS auf der Straße, 120 PS auf dem Hänger.

Kindergarten in Alba Julia
Kindergarten in Alba Julia

Noch ein letztes Mal in die Unterkunft, Hände waschen und auf Wiedersehen sagen. Auch der Chef des Hauses ist mittlerweile wieder unter den Lebenden – mit kurzer Hose. Er fragt, wann ich wiederkomme und dass er bis dahin seinen Freund mit der Enduro nach ein paar interessanten OffRoad-Strecken fragt. Wenn ich mal wieder hier in der Ecke bin, dann werde ich definnitiv wieder hier einkehren. Um zwanzig vor Zehn fahren wir los. Mein Navi führt uns zur Autobahnauffahrt, ich sehe aber in Vintu de Jos einen Wegweiser  nach Alba Julia. Deshalb drehe ich beim nächsten Kreisverkehr und fahre dahin zurück. Am Ortseingang von Karlsburg, wie Alba Julia von den Siebenbürgern genannt wird, überqueren wir die Mureș. Der Fluss wird uns heute den größten Teil der Strecke begleiten. Der Kindergarten, den wir anfahren möchten, befindet sich direkt an der Hauptstraße, unweit der Festung. Wie so oft, stimmt auch hier die Hausnummer im Navi nicht mit den Gegebenheiten vor Ort überein. Vor einer alten Backsteinkirche finden wir genug Platz, um anhalten zu können. Die richtige Hausnummer sehe ich dann schräg gegenüber.

Malgruppe im Kindergarten
Malgruppe im Kindergarten

Ich überquere die Straße, die Tür des Zaunes zum Gradinita Emanuel ist zugesperrt. Macht auch Sinn bei der belebten Straße. Auf mein Klingeln reagiert auch niemand, doch ich höre Kindergeschrei. Ich stelle mich auf die Mauer, um über das Blechtor blicken zu können, und sehe die Kinder im Garten spielen. Eine Erzieherin hat das Handy am Ohr und nimmt mich lange Zeit nicht war. Erst als die Kinder sie auf den wild fuchtelnden Typen da am Zaun hinweisen, kommt sie heran. Sie öffnet die Tür, ich sage ihr, wer ich bin und das mein Besuch von Werner angekündigt worden ist. Sie weiß überhaupt nicht, worum es geht. Mein rumänisch reicht leider nicht aus, um das alles umfassend zu erklären. Nach ein paar vergeblichen Versuchen bitte ich sie über die Straße, um ihr die Hilfsgüter zu zeigen. Dort sehe ich einen Mann mit dem Rest des Teams diskutieren, ein Handy wird herumgereicht. Als ich dazukomme drückt manmir das Handy in die Hand. Am anderen Ende der Leitung spricht mich eine Frau an und fragt, was ich will. Wir haben Hilfsgüter dabei, sage ich, worauf sie meint, sie kommt vorbei.
Dann kommt eine Nonne aus der Tür der Backsteinkirche, vor der wir parken. Der freundliche Passant hat unseren Parkplatz und die Hilfsgüter mit der Kirche in Verbindung gebracht und auch noch eine Telefonnummer zur Hand gehabt, was für ein Glück. Leider sind unsere Sachen aber dann doch nicht für sie bestimmt. Ich bitte sie dennoch, mir als Übersetzerein beizustehen, was sie auch gerne macht. Als ich ihr mein Anliegen auf deutsch erkläre und sage, dass wir die Adresse vom Verein Hoffnung für eine neue Generation e.V. habe, klingelt es auch bei der Erzieherin. Plötzlich kann sie uns mit dem Verein in Verbindung bringen. Wir bedanken uns bei der Nonne für die Unterstützung. Dann drehe ich und stelle mein Auto vor das Tor des Kindergartens.

Der Raum füllt sich
Der Raum füllt sich

Wir beginnen damit, Auto und Dachbox auszuladen. Ein paar der Kinder, die neugierig nach vorne gekommen sind, unterstützen uns dabei. Jeder an einer Ecke der Vakuumbeutel schleppen sie zusammen mit uns die Sachen ins Haus. Dann wennde ich erneut und stelle mein Auto zurück vor die Kirche, damit Jürgen Platz für sein Gespann hat. Auch hier gewinnt das Auto deutlich an Federweg, nachdem die Sachen entladen sind. Zusammen mit den Kindern und den Erzieherinnen bringen wir die Sachen in einen Raum, der damit zur Hälfte ausgefüllt ist. Wir machen ein Übergabefoto, bevor wir etwas zu trinken angeboten bekommen und zu einer kruzen Führung eingeladen werden. In einem der Räume sitzt eine Gruppe Kinder am Boden und ist dabei, das ABC zu lernen. Der größte Teil der Kinder befindet sich draußen im Garten. Hier wird in verschiedenen Gruppen gemalt, gespielt oder einer Geschichte zugehört. Ein großes Plakat – der Baum der Freundschaft – ist gerade fertig gewoden und wird uns stolz präsentiert, bevor man eine Möglichkeit sucht, das Werk an der Mauer zu befestigen. Es zeigt einen Baum, dessen Blätter mit den Handabdrücken der Kinder gebildet werden. Eine Gruppe Kinder wird zu einem Chor zusammengestellt, die uns ein paar Lieder vorsingen – auch eines in Englisch, was mich ein wenig wundert, weil keine der Erzieherinnen diese Sprache spricht.

Rebecca wird eingespannt
Rebecca wird eingespannt

Der Turnlehrer kommt vorbei. Er spricht gut Englisch und erklärt uns, dass er hier zweimal die Woche ehrenamtlich vorbei kommt, um ein wenig Sport mit den Kindern zu machen.

Er steckt ein Stück des Gartens ab und holt dann ein Seil aus seinem Rucksack. Ob Rebecca nicht helfen mag, fragt er sie.

Jeder nimmt ein Ende des Seils in die Hand und währnd sie dieses dann schwingen, ermutigt er die Kinder durchzurennen, bzw. drüber zu springen. Nach dem Heiratsantrag von vorgestern mutmaßen wir Anderen, dass auch er dem unwiderstehlichen Charme Rebeccas erlegen ist 😉

Die ABC-Gruppe
Die ABC-Gruppe

Gegen 11:00 Uhr verabschieden uns und werden mit mulţumesc şi o călătorie bună auf den Weg begleitet. Wir nehmen die Landstraße über Orăștie, Băcia und Călan nach Hațeg. Dort wird es Zeit für eine Mittagspause – aus dem Auto hinter uns habe ich schon seit geraumer Zeit per Funk das Magenknurren übermittelt bekommen. Die Restaurants der Stadt sind mir entweder zu pompös, geschlossen oder ich sehe sie einfach zu spät. Nähe Ortsausgang finde ich dann doch noch etwas passendes bei einer Tanke. Wir entscheiden uns, drinnen zu sitzen, dort ist es angenehm kühl. Der Wirt nimmt die Bestellung auf: Ceafă cu Cartofii prăjiţi şi Salată de varză (Schweinenacken mit Pommes und Krautsalat). Geht bei mir immer und auch meine Begleiter haben sich vor allem mit dem Krautsalat angefreundet. Der Wirt erzählt uns, dass er im Restaurant anrufen muss. Wir denken, dass er es dort machen und vorbeibringen lässt. Aber es kommt seine Frau und die bereitet das Essen dann hier in der Küche zu. Währenddessen kommt der Wirt immer wieder zu uns, freut sich, dass er mal deutsche Gäste hier hat, holt immer wieder Karten, um zu fragen, wohin wir wollen oder uns zu zeigen, wo er schon überall war. Zwischendurch benutzt der reisefreudige Rumäne auch immer wieder deutsche Vokabeln, auf meine Anerkennung dazu meint er, er ist gerade dabei, deutsch zu lernen. Da bin ich wohl auf einen Bruder im Geiste getroffen.

Auf dem Transsemeinic unterwegs
Auf dem Transsemeinic unterwegs

Weiter geht es über die DN68 durch Samizegetusa, einer kleinen Gemeinde mit historischen Wurzeln. Schon seit der Jungsteinzeit besiedelt, weisen Ausgrabungen und Ruinen auf die Daker hin. Um uns Sarmizegetusa Regia anzusehen, fehlte uns diesmal die Zeit, hier haben wir aber die Geschichte um die Daker zumindest gestreift. Weiter geht es durch etliche Ortschaften, die so nahe aneinanderliegen, dass man kaum feststellen kann, wo die Eine endet und die nächste beginnt. Die nächstgrößere Stadt auf der Strecke nach Otelu Rosu ist Caransebeș. Hier gibt es seit ein paar Jahren eine Umgehungsstraße, auf die auch die DN68 einmündet. Es wird zwar Zeit zum Tanken, aber ich unterstütze lieber die kleinen Tanken, weshalb ich diesmal der Umgehung folge. In Slatina-Timiș gibt es so eine kleine Tankstelle mit nur wenigen hundert Metern Umweg. Tja, Murphy lässt grüßen .. was schon viele Jahre nicht mehr passiert ist: Die Tanke hat keinen Benzin. Einen Kilometer weiter in Sadova Veche das Gleiche. Bei der nächsten Tanke ebenso und auch die Tankwartin an der Benzinărie beim Pasul Poarta Orientală winkt ab. Wir drehen um und fahren fast 50km zurück nach Caransebeș, um die Tanks der Autos, der Motorräder und die Reservekanister zu füllen. Dann wieder nach Slatina-Timiș und von hier aus den Trans-Semenic hoch nach Brebu Nou. Ich lasse es laufen. Der Focus mit seinem Sportfahrwerk zeigt sich auch durch den Hänger unbeeindruckt und liegt – obwohl wir ja schon fast alle Hilfsgüter losgeworden sind – fest auf der Straße. Während ich die Serpentinen genieße, denke ich an 2006, als wir hier mit einem A3 samt Hänger und 3 Motorrädern zum ersten Mal hochgekrochen sind. Mehrfach sind wir aufgesessen, nicht selten spürte man im Fußraum, wie ein hervorstehender Stein am Bodenblech des neuen Audis entlang schrammte. Damals war es eher eine Ansammlung von unzähligen Schlaglöchern mit Asphaltrand – heute hat die Straße fast die Beschaffenheit einer Rennstrecke.

Endlich angekommen
Endlich angekommen

In meinen Gedanken und im Kurvengenießen versunken habe ich gar nicht bemerkt, dass ich den Jürgen weit abgehängt habe. Am Scheitelpunkt steht ein Hölzernes Kettensäge-Kunstwerk der Kunsthochschule von Rumänien – ich nenne es ‚der Marterpfahl‘. Dort waren wir, bis auch die anderen Drei die Passhöhe erreichen. Alle steigen aus und genießen den Blick auf die hügellige Hochebene, dann gibt es noch ein ‚Angekommen‘ – Bild, bevor wir die letzten Meter nach Brebu Nou zurücklegen. Kaum ausgestiegen, werde ich von der Mannschaft begrüßt. Wir beziehen unsere Zimmer und laden die Motorräder ab. Ich frage, ob wir noch eine kurze Abendrunde machen wollen – die Frage war rein rhetorisch, denn alle vier scharrten schon mir den FlipFlops, als wir die Moppeds abluden. Simina begrüßt mich freudig, wir tauschen Neuigkeiten aus, es gibt viel zu reden seit dem letzten Besuch. So stehen alle vier Teamkollegen schon nervös bei den Moppeds, als ich mit meinen Klamotten am Trockenraum eintreffe.

Maren in Angriffshaltung
Maren in Angriffshaltung

Wenige Minuten später bollern die Motoren und wir fahren los. Ersmal durchs Dorf und über eine Sandpiste zurück zur Pass-Straße, dann hoch zum Marterpfahl. Hier gebe ich ein paar Anweisungen und lasse die Gruppe vorausfahren, um mir einen Überblick machen zu können, wer wie fährt. Es geht über einen Hügel in eine Senke. Ein paar erste Fahrtipps und neue Anweisungen später geht es durch ein sumpfiges Loch, dem eine recht steile Auffahrt folgt. Alle meistern die Steigung trotz Kurve, ich überhole und führe die Gruppe zum ersten EnduRoMania-Checkpoint. Da machen wir eine Pause. Die Sonne steht schon tief, während ich bei den Motorrädern heftig Luft aus den Reifen lasse. Ab sofort sind wir mit 0,6 bar unterwegs.
Wir reiten weiter – diesmal nicht in den Sonnenuntergang, sondern im rechten Winkel dazu. Es geht bergab über einen Weg, der aud mind. 10 – teils grasbewachsenen – Spurrillen besteht. Ein paar Gesichter wirken ein wenig angesterngt. Hier gibt es auch wieder den ein oder anderen Strich für die Challenge. Während wir Mopped aufheben, ist uns der Jürgen abhanden gekommen. Den fangen wir wieder ein, nachdem wir eine Steilabfahrt genommen haben. Noch ein Hügel, eine Senke, dann geht es hoch zu den drei Kreuzen – ein weiterer Checkpoint und ein Platz, mit einem tollen Blick über Brebu Nou und Teile des Semenic. Nach der Pause eine weitere Anweisung: Wir trialen die Abfahrt bis runter zum See ohne Motor. Ich möchte die Gruppe dafür begeistern, sich annähernd lautlos durchs Gelände zu bewegen. Ganz abgesehen davon macht es die Koordination einfacher, wenn man Gas und Kupplung mal außen vor lassen und sich nur auf Gleichgewicht und Bremsen konzentrieren kann.
Unten starten wir die Motoren und fahren am See entlang zurück ins Dorf und in die Unterkunft. Die Sonne ist mittlerweile hinter dem Horizont verschwunden, das eingemeißelte Grinsen in den vier Gesichtern wäre aber auch noch im Stockdunkeln wahrzunehmen.

Endurowandern
Endurowandern

Zeit zum Abendessen. Wie immer in Rumänien: Ciorba, Hauptspeise und Nachtisch. Hier eher als Buffet und im Jugendherbergs-Stil, nicht so imposant wie die letzten Tage, aber ebenso reichlich und genauso lecker. Danach sitzen wir noch lange zusammen bei Bier, Weil oder Cola, bzw. Eistee. Wir haben zwei große Zimmer mit jeder Menge Sitzgelegenheiten, aber auch einen großen Vorraum mit Sofas nur für uns. Hier können wir uns zusammensetzen, auch wenn das Küchenteam schon Feierabend hat und der Essensraum abgesperrt ist. Ich sehe schon, mit losfahren früh um 07:00 wird es heuer definitiv nichts. Dazu muss ich erstmal die Fahrtechnik-Grundlagen aufbauen, bevor ich mit dem Team anspruchsvolleres angehen kann. Bei dieser Tour muss ich mich ständig zwingen, noch das Tagebuch zu schreiben, obwohl ich eigentlich schon im Tiefschlafmodus bin. Jürgen nebenan schläft, kaum, dass er das Ohr auf dem Kissen hat.

Ein weiteres Tagebuch über die Tour findest Du hier – klick